Abt Scarcella nach Rüge wieder im Amt

Unverständnis und Bedauern

Obwohl der Vatikan den Abt von Saint-Maurice 2024 wegen unangemessenen Verhaltens gerügt hat, ist er wieder im Amt. Er nehme den Fall mit Gelassenheit, teilte Scarcella mit. Die Bischofskonferenz wirkt zerknirscht, andere verärgert.

Gegründet wurde die Abtei Saint Maurice durch den heiligen Sigismund, den späteren König von Burgund. Im 9. Jahrhundert wurden die Mönche durch Chorherren ersetzt. / © Georges Scherrer (KNA)
Gegründet wurde die Abtei Saint Maurice durch den heiligen Sigismund, den späteren König von Burgund. Im 9. Jahrhundert wurden die Mönche durch Chorherren ersetzt. / © Georges Scherrer ( KNA )

Der wegen unangemessenen Verhaltens vom Vatikan gerügte Abt Jean Scarcella (73) hat sein Amt in der traditionsreichen Schweizer Abtei Saint-Maurice wieder aufgenommen. Die vatikanische Behörde für die Bischöfe habe die Entscheidung offiziell bestätigt, berichtete das Portal Vatican News (Dienstag).

Damit endet die Amtszeit von Jean-Michel Girard als Apostolischer Administrator. Eine unabhängige Arbeitsgruppe aus Historikern setzt ihre Untersuchungen zur Aufarbeitung von Missbrauch im Zusammenhang mit der Abtei laut Bericht fort. Gleichzeitig betonte die Abtei ihre anhaltenden Bemühungen um Prävention und Transparenz.

Bischofskonferenz reagiert knapp

Abt Scarcella, der seit vergangenem Sonntag offiziell wieder im Amt ist, zeigte sich nach Bekanntgabe der Entscheidung erleichtert: "Ich nehme das Vertrauen des Heiligen Stuhls, mir die Erlaubnis zu erteilen, mein Amt als Abt wieder aufzunehmen, mit Gelassenheit entgegen", zitierte Vatican News den Geistlichen.

Die Schweizer Bischofskonferenz, der Scarcella als Territorialabt nun wieder angehört, reagierte mit einer knappen Mitteilung aus ihrer derzeitigen Klausurtagung. Man habe die Entscheidung des Vatikans "zur Kenntnis genommen", hieß es. Da man keine weiteren Informationen zu dem Beschluss des Bischofs-Dikasteriums habe, könne man dazu keine keine weiteren Erklärungen abgeben. Die Mitteilung endet mit einem Bekenntnis zum "Engagement für die Umsetzung von Präventions- und Interventionsmaßnahmen im Bereich des Missbrauchs".

Vatikan rügte unangemessenes Verhalten

Deutlicher äußerte sich der Dachverband der Landeskirchen. Auf Anfrage des Berner "pfarrblatt" erklärten Präsident Roland Loos und Generalsekretär Urs Borsi: "In Anbetracht der öffentlich verfügbaren Informationen über den Abt und verschiedene Mitglieder der Abtei St. Maurice im Unterwallis bedauern wir, dass Abt Jean Scarcella sich entschieden hat, sein Amt wieder aufzunehmen." Viele Menschen seien durch das "Wegwischen von Verantwortung" unangenehm berührt. "Wenn Abt Jean Scarcella die juristische Entscheidung zur Einstellung der Verfahren gegen ihn und seine Mitbrüder nun im Sinn einer moralischen Unbedenklichkeit interpretiert, so ist dies vor allem von einem Mann der Kirche nur schwer zu verstehen."

Nachdem im September 2023 Vorwürfe gegen Scarcella wegen sexueller Belästigung bekannt geworden waren, trat dieser vorübergehend zurück. Im vergangenen Oktober rügte der Vatikan den Abt der Augustiner-Chorherren für unangemessenes Verhalten einem jungen Mann gegenüber. Gleichzeitig erklärte die zuständige Bischofsbehörde aber, es gebe "keine Beweise für Missbrauch oder Belästigung im eigentlichen Sinn".

"Mangelnde Vorsicht"

Dem Ordensmann wurde vorgeworfen, sich einem Jugendlichen gegenüber übergriffig verhalten zu haben. Die Staatsanwaltschaft im Kanton Wallis stellte im Oktober alle angezeigten Fälle wegen Vorwürfen von sexuellem Missbrauch gegen Angehörige der Abtei ein. In den meisten Fällen seien die Gründe dafür Verjährung oder die Unmöglichkeit, den Sachverhalt zu belegen. Dies sei auch bei Scarcella der Fall.

Das Verhalten Scarcellas sei dennoch zu verurteilen, entschied damals die vatikanische Behörde für die Bischöfe unter Leitung von Präfekt Kardinal Robert Francis Prevost. Denn es demonstriere eine Haltung, "die nicht der Vorsicht entspricht, die von Klerikern in zwischenmenschlichen Beziehungen erwartet wird". Die im 6. Jahrhundert gegründete Abtei Saint-Maurice gilt als ältestes Kloster des Abendlandes, das ohne Unterbrechung besteht. Sie untersteht unmittelbar dem Papst.

Schweizer Bischofskonferenz

Die Schweizer Bischofskonferenz umfasst derzeit 11 Mitglieder: Die Bischöfe der sechs Bistümer der Schweiz, deren Weihbischöfe sowie die beiden Äbte der Territorialabteien St-Maurice und Einsiedeln. Sie hält vierteljährlich ihre ordentlichen Versammlungen ab und gelegentlich, wenn die Umstände es erfordern, außerordentliche Versammlungen.

Schweizer Bischöfe bei Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani (KNA)
Schweizer Bischöfe bei Papst Franziskus / © Vatican Media/Romano Siciliani ( KNA )
Quelle:
KNA