Katholische Bischöfe fordern aktives Handeln gegen Hetze

"Konstruktive Konfliktkultur einüben"

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hat an Neujahr dazu aufgerufen, gegen Antisemitismus anzugehen. Bischof Overbeck bat Christen um eine konstruktive Auseinandersetzung mit Konflikten und Krisen.

Deutsche Bischöfe / © Harald Oppitz (KNA)
Deutsche Bischöfe / © Harald Oppitz ( KNA )

Die katholischen Bischöfe in Deutschland haben zum Jahreswechsel zu Optimismus und aktivem Handeln gegen Hetze und Antisemitismus aufgerufen. Zugleich sprachen sie sich für innerkirchliche Reformen aus.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, warb für eine klare Position gegen Antisemitismus. "Wir müssen aufstehen und unsere Stimme erheben, wenn wieder frech und unverhohlen antisemitische Parolen gegrölt und Straftaten verübt werden", sagte Bätzing am Neujahrsmorgen. Er erinnerte daran, "wie sehr Juden und Christen verwandt sind. Wir entstammen einer einzigen Wurzel."

Frieden ist aus seiner Sicht keine Selbstverständlichkeit, sondern ein beschwerlicher und mühevoller Weg. Immer wieder brauche es Widerstand gegen aufkeimenden Hass und zerstörerische Wut. Frieden sei "Frucht der Gerechtigkeit", so der Bischof.

Übernahme von Verantwortung

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx rief zur Übernahme von Verantwortung für das Leben kommender Generationen auf. Das Verantwortungsgefühl für das "gemeinsame Haus unserer Erde" müsse mit Blick auf den Klimawandel größer werden, sagt Marx im Münchner Liebfrauendom. Eine Gesellschaft könne nur wirklichen Zusammenhalt finden, wenn sie darauf achte, dass Gräben und Spannungen überwunden würden.

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger sieht den Klimaschutz und die weitere Entwicklung der Kirche als zentrale Themen 2022. Burger sagte im Freiburger Münster, es brauche Orte und Personen, an denen und durch die Menschen die Kraft Gottes erfahren könnten. Es würden neue Formen kirchlichen Lebens entstehen, während andere in den Hintergrund träten. "Wir mögen mittlerweile nicht mehr Volkskirche sein, aber wir sind noch immer Kirche im Volk", so Burger. Die Bewahrung der Schöpfung ist für Burger untrennbar mit dem Klimaschutz verbunden. Der Erzbischof sieht dabei auch seine Kirche in der Verantwortung all derer, "die weltweit unter den negativen Folgen eines Klimawandels und den daraus sich ergebenden bedrohten Lebensverhältnissen" litten.

Kritik am Regierungsprogramm 

Der Münsteraner Bischof Felix Genn blickte kritisch auf die Gesetzesvorhaben der Ampel-Koalition zu Schwangerschaftsabbrüchen. "Allein die Tatsache, dass von dem werdenden Leben im Mutterleib mittlerweile von einem 'Schwangerschaftsgewebe' gesprochen wird, muss uns hellwach machen", sagte er. "Da werden nämlich die Kleinsten und Ärmsten der Armen, die eines besonderen Schutzes bedürfen, allein schon durch Worte verfunktionalisiert zu eigenen Zwecken einer falsch verstandenen Autonomie und Selbstbestimmung".

Der Augsburger Bischof Bertram Meier bemängelte das Programm der neuen Bundesregierung. Ihm fehle in der von Kanzler Olaf Scholz (SPD) vorgetragenen Definition des Fortschritts der Schutz des menschlichen Lebens. "Aller Fortschritt nützt nichts, wenn dabei der Mensch auf der Strecke bleibt: nichts zum Lebensschutz - weder im Koalitionsvertrag noch in der Regierungserklärung. Wir wagen nicht 'mehr Fortschritt', wenn damit ein Rückschritt der Menschlichkeit einherginge."

Meier verurteilte zugleich Verschwörungsmythen. "Sündenböcke werden gesucht und gefunden, auch im Blick auf Covid-19. Selbst unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger müssen wieder dafür herhalten; sie werden bedroht, fühlen sich nicht mehr sicher bei uns."

"Kritisch auf den gegenwärtigen Stand blicken"

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode sieht "herbe Herausforderungen" auf die Kirche zukommen. Im Osnabrücker Dom sprach er von "einem deutlichen Rückgang der Ressourcen auf allen Ebenen", etwa was die Priesterzahlen oder die Finanzen angehe. Bode forderte einen vernünftigen Umgang mit kirchlichen Gebäuden und kluge Überlegungen, wie engagierte Menschen so wirken könnten, "dass das gemeinsame Kirche-Sein von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen, von Jungen und Alten gelingt".

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick warb dafür, dass die Kirche sich im kommenden Jahr weniger mit sich selbst beschäftige. Die Katholiken müssten "raus aus der Blase" und für ihren Glauben werben, sagte Schick zum Jahreswechsel. Es gelte zugleich, Gebete, Liturgien, Riten und auch viele Kirchenstrukturen zu hinterfragen und zu verändern, die einst zeitbedingt entstanden seien. "Der Schatz unseres Glaubens besteht darin, dass wir uns für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung einsetzen."

Der Hamburger Erzbischof Stefan Heße erklärte, die Kirche könne sich nicht erlauben, an der Zeit vorbei zu leben. "Wir stehen in der Zeit und glauben an einen Gott, der die Zeit mit uns teilt", sagte Heße im Hamburger Sankt-Marien-Dom.

Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke erklärte, die Kirche müsse "wagemutig und kreativ sein", wenn es darum gehe, Ziele, Strukturen und Evangelisierungsmethoden zu überdenken. Ein "So haben wir das immer gemacht" dürfe es nicht geben. Das "klassische" Gemeindeprinzip funktioniere oft nicht mehr. Trotzdem werde es mit großem Einsatz verteidigt. Die schwindende Zahl an Gläubigen und die wegbrechenden finanziellen Ressourcen führten nun "unter Schmerzen" dazu, "kritisch auf den gegenwärtigen Stand zu blicken".

"Konstruktive Konfliktkultur" 

Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck rief Christen zu einer konstruktiven Auseinandersetzung mit Konflikten und Krisen auf. Mit Blick auf die Klimakrise, die Corona-Pandemie und vor allem mit Blick auf den Missbrauchsskandal in der Kirche "haben wir Christen die Chance, eine Vorbildfunktion wahrzunehmen und dabei eine konstruktive Konfliktkultur einzuüben", sagte der Bischof des Ruhrbistums am Neujahrstag im Essener Dom.

Overbeck betonte, dass der Skandal sexueller Gewalt und sexuellen Missbrauchs durch Priester die katholische Kirche in eine existenzielle Krise geführt habe. Er forderte eine intensive und ehrliche Aufarbeitung ohne "Abwehrreflexe". "Abscheuliche Taten sexueller Gewalt, von geistlichem Missbrauch, aber auch viele andere Leidenserfahrungen, die unsere Kirche jahrhundertelang unheilvoll geprägt haben, fordern uns heute zu einer neuen Ehrlichkeit, Bescheidenheit und Anerkennung von Schwäche auf."

Der Fuldaer Bischof Michael Gerber warnte vor einfachen Antworten. Die Zukunft der Demokratie entscheide sich daran, wie viele Menschen in Alternativen denken und "auch ein gutes Stück Ungewissheit aushalten" könnten. Dazu gehöre die Bereitschaft, Entscheidungsträger kritisch zu begleiten, ihnen aber auch zuzugestehen, Entscheidungen zu treffen, deren Wirkung nur begrenzt eingeschätzt werden könne.

Appell zu gesellschaftlichem Engagement

Aachens Bischof Helmut Dieser verwies auf Gefahren der Internetkommunikation. Durch den "Troll-Dämon" würden unzählige Verdrehungen und Lügen weltweit verbreitet, während der "Cancel-Dämon" die Meinungsfreiheit beschneide.

Angesichts der Situation an den Außengrenzen der EU rief der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer die Christen zu gesellschaftlichem Engagement auf. "Dass in den Wäldern zwischen Polen und Weißrussland Migranten in der Hoffnungslosigkeit verharren müssen, ist skandalös", sagte er im Hildesheimer Mariendom. Die Flüchtlinge stürben als Spielball von Machtinteressen.

Der Passauer Bischof Stefan Oster zeigte sich besorgt über die Spaltungen in Kirche und Gesellschaft. Gläubige Menschen könnten am tiefsten dialogbereit sein, da ihnen die Liebe zu jedem Menschen, sogar zu den Feinden aufgetragen sei. Aus der Überzeugung heraus, dass ausnahmslos alle Menschen Kinder eines geliebten Vatergottes und daher alle Geschwister seien, könnten Christen einen entscheidenden Beitrag zur Überwindung von Spaltungen leisten.

Auch der Würzburger Bischof Franz Jung forderte Engagement gegen gesellschaftliche Polarisierungen. Die Menschen müssten das Hinhören neu lernen. Es erfordere die Bereitschaft, auch dem anderen Kompetenz zuzugestehen sowie die Bereitwilligkeit, etwas dazuzulernen, "allein schon deshalb, weil die Zeit nicht stehen bleibt, sondern sich alles im Fluss befindet und dauernder Veränderung unterworfen ist".

Kostbarkeit des Glaubens

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker kritisierte das Bestreben, die Vergänglichkeit des Lebens zu verdrängen: "Alle haben möglichst jung zu sein und so jagen wir weiter von Termin zu Termin, von Tag zu Tag, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr. Als ginge es immer so weiter, ohne Ende." Es sei ein Zeichen von Weisheit und innerer Freiheit, die Tage des eigenen Lebens "anzuschauen wie kostbare Perlen und sie entgegenzunehmen, dankbar, in der uns gegebenen Frist", sagte er.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann rief dazu auf, Schwierigkeiten und Zweifeln im Leben mit Zuversicht zu begegnen. Im Speyerer Dom sagte Wiesemann, gerade in der Corona-Pandemie seien ihm "die Kostbarkeit des Glaubens, der Halt und eine letzte, tiefe Zuversicht" besonders bewusst geworden. Glauben bedeute nicht, keinen Zweifel zu haben, sondern zu erkennen, dass es trotz Zweifeln eine letzte tiefe Zuversicht gebe.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf zeigte sich optimistisch, dass viele Menschen Sehnsucht nach Gemeinschaft, Gottesdiensten und nach einer Beziehung zu Gott hätten. Kohlgraf räumte zugleich ein, dass Menschen die Kirche aus Frust verließen. "Entfremdungsprozesse haben eine lange Geschichte, nicht wenige gehen auch aus der Mitte der Kirche", so der Bischof. Die Kirche habe "in vielen Punkten versagt". Er persönlich bleibe nicht, weil er Bischof sei, sondern weil er nicht auf Christus verzichten wolle.


Bischof Georg Bätzing / © Martin Jehnichen (KNA)
Bischof Georg Bätzing / © Martin Jehnichen ( KNA )

Kardinal Marx (DR)
Kardinal Marx / ( DR )

Burger (DR)
Burger / ( DR )

Felix Genn, Bischof von Münster / © Harald Oppitz (KNA)
Felix Genn, Bischof von Münster / © Harald Oppitz ( KNA )

Bischof Bertram Meier / © Dieter Mayr (KNA)
Bischof Bertram Meier / © Dieter Mayr ( KNA )

Bode (DR)
Bode / ( DR )

Schick (DR)
Schick / ( DR )

Stefan Heße / © Julia Steinbrecht (KNA)
Stefan Heße / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Bischof Gregor Maria Hanke / © Simon Koy (KNA)
Bischof Gregor Maria Hanke / © Simon Koy ( KNA )

Bischof Overbeck (DR)
Bischof Overbeck / ( DR )

Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow (KNA)
Bischof Michael Gerber / © Angelika Zinzow ( KNA )

Bischof Dieser (DR)
Bischof Dieser / ( DR )

Bischof Wilmer (DR)
Bischof Wilmer / ( DR )

Oster (DR)
Oster / ( DR )

Bischof Dr. Franz Jung / © Thomas Berberich (POW)
Bischof Dr. Franz Jung / © Thomas Berberich ( POW )

Becker (DR)
Becker / ( DR )

Bischof Wiesemann (DR)
Bischof Wiesemann / ( DR )

Kohlgraf (DR)
Kohlgraf / ( DR )
Quelle:
KNA , epd
Mehr zum Thema