Kitaleiterin schildert Auswirkungen der neuen Lockdown-Beschlüsse

"Großer Kraftakt für die Eltern"

Innerhalb von Tagen ist der Alltag vieler Familien auf den Kopf gestellt worden. Der zweite Lockdown bedeutet für Eltern eine deutliche Mehrbelastung. Das gehe auch an den Kindern nicht spurlos vorbei, meint Kitaleiterin Sarah Müller.

Kinder in einem Kindergarten / © Monika Skolimowska (dpa)
Kinder in einem Kindergarten / © Monika Skolimowska ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben denn die Eltern in der Kita reagiert, als der zweite Lockdown angekündigt wurde?

Sarah Müller (Leiterin der Katholischen Kindertagesstätte St. Katharina in Hürth): Bei uns in der Kita war es so, dass die Eltern den Appell sehr ernst genommen haben. Es ist ein großer Kraftakt für die Eltern, das zu bewerkstelligen, denn viele leisten jetzt sowohl die Betreuung zu Hause als auch das Homeoffice. Und das ist mit Kindern, gerade unter drei, überhaupt nicht einfach.

DOMRADIO.DE: Was sind die drängendsten Fragen der Eltern?

Müller: Die drängendsten Fragen und die größte Sorge der Eltern waren, dass eine ziemliche Kürze der Umsetzung hinter diesem Appell stand. Freitags wurde der Appell ausgesprochen, montags sollten die Eltern das direkt umsetzen.

Viele Eltern kamen montags mit ihren Sorgen hier an und sagten, wir schaffen es einfach nicht, jetzt ad hoc die Betreuung umzuorganisieren und baten, die Kinder noch ein, zwei Tage zu uns bringen zu können, um es zu schaffen, die Betreuung anders zu regeln.

DOMRADIO.DE: Verständnis ist da, wenn ich das so raushöre. Haben Sie denn auch ein bisschen Verzweiflung bei manchen gespürt?

Müller: Ja, die Verzweiflung war bei vielen ganz groß. Die konnten wir aber sehr gut auffangen, indem wir den Eltern klargemacht haben, dass wir für sie da sind. Für alle, die Hilfe brauchen, sind wir hier. Denn gerade wenn beide Eltern berufstätig sind, ist es in vielen Familien einfach nicht möglich, die Kinder zu Hause zu lassen.

Nachdem die Eltern aber die Beruhigung hatten - wir sind da, wenn man uns braucht - konnten sie auch ruhiger an die Sache herangehen und mit der Organisation beginnen.

DOMRADIO.DE: Gerade die Adventszeit steckt voller Rituale. Sie ist eine besonders schöne Zeit im Kindergarten. Sind da auch Tränen bei den Kindern geflossen?

Müller: Tränen nicht, aber man spürte, dass die Kinder wussten, heute ist mein letzter Tag. Klar machen wir es in den Gruppen so, dass wir die Adventszeit besonders gestalten. Die Kinder erfahren, warum wir Weihnachten feiern.

In einer Gruppe ist es zum Beispiel so, dass wir ein Fensterbild haben, das von Tag zu Tag, wie ein Adventskalender, immer weiter wächst. Und dort war ein Mädchen, das diese Geschichte so spannend fand und uns sagte, heute ist mein letzter Tag, jetzt weiß ich gar nicht, wie es weitergeht.

Da reagierten dann die Kollegen aus der Gruppe ganz spontan und sehr einfühlsam. Sie haben der Mutter heimlich die Adventsgeschichte kopiert und mit nach Hause gegeben, sodass das Kind jetzt zuhause weiß, wie die Geschichte weitergeht.

DOMRADIO.DE: Bis Ende der Woche gibt es noch Notbetreuung. Wer kann denn noch seine Kinder bis Freitag in die Kita bringen?

Müller: Bei uns geht die Notbetreuung sogar bis nächste Woche. Bis Mittwoch sind wir noch da. Alle Eltern, die berufstätig sind, und die Betreuung nicht zuhause leisten können, können ihre Kinder noch bringen.

DOMRADIO.DE: Aber Sie merken schon, dass viel weniger Kinder da sind?

Müller: Ja. Am Montag waren zirka 60 Prozent der Kinder noch in der Kita, 40 Prozent konnten schon sehr schnell und verantwortungsbewusst reagieren. Wir merken, dass die Kinderzahlen von Tag zu Tag runtergehen. Heute sind wir schon bei 30 Prozent der Kinder, die noch hier in der Kita sind.

DOMRADIO.DE: Es gibt Elternhäuser, die können die Kinder in dieser Situation wunderbar auffangen. Es gibt aber auch die Kinder, die schon im Frühjahrs-Lockdown gelitten haben und für die es wichtig ist, auch mal aus der Kernfamilie rauszukommen. Haben Sie bei manchen Kindern nach dem ersten Lockdown eine Art Nachholbedarf festgestellt?

Müller: Ja, wir haben schon Nachholbedarf festgestellt. Und ich denke, das wird auch noch eine Zeit lang dauern, bis das wieder aufgeholt ist. Man unterschätzt am Anfang, was wir so über das Jahr alles leisten. Bei manchen Kindern ist es doch deutlich, dass da noch einiger Nachholbedarf ist.

Das Interview führte Dagmar Peters.

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2,8 Millionen arme Kinder in Deutschland (dpa)
2,8 Millionen arme Kinder in Deutschland / ( dpa )
Quelle:
DR

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