EKD-Vorsitzender Schneider zur Mitgliedschaftsuntersuchung

"Das Problem ist der demografische Wandel"

Eine Mitgliedschaftsuntersuchung der evangelischen Kirche zeigt: 43 Prozent der Befragten fühlen sich der Kirche sehr oder zumindest ziemlich verbunden. Für eine Mehrheit kommt ein Austritt nicht infrage. Doch auch der Anteil Kirchenferner steigt.

Nikolaus Schneider (dpa)
Nikolaus Schneider / ( dpa )

domradio.de: Verliert die evangelische Kirche mehr und mehr an Bedeutung?

Schneider: Nein, das ist mir zu einseitig. Erstens nimmt die Zahl derer, die uns hochverbunden sind, zu. Und zweitens ermutigt die evangelische Kirche Menschen offensichtlich dazu, sich gesellschaftlich zu engagieren. Die Zahl der Menschen aus der evangelischen Kirche, die gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, ist signifikant hoch. Insofern sind wir eine Kraftquelle für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft.

domradio.de: Es gibt aber immer weniger Kirchenmitglieder. Liegt das an der Pluralisierung der Gesellschaft?

Schneider: Das glaube ich nicht. Die Individualisierung nimmt zu, Menschen entscheiden persönlich in unserer Gesellschaft. Dies führt positiv dazu, dass Menschen sagen, ja, ich fühle mich hochverbunden mit der Kirche. Aus der Untersuchung geht auch hervor, dass drei von vier Kirchenmitgliedern für sich kategorisch ablehnen, aus der Kirche auszutreten. Das ist doch ein erstaunlicher Wert. Allerdings, die Individualisierung bringt es auch mit sich, dass diejenigen, die gering verbunden sind, in eine noch größere Distanz zu unserer Kirche treten. Das ist aber eine relativ geringe Zahl. Die Erwartungen der Gesellschaft an unsere Kirche sind ja eher gestiegen, es wird vermutet und zu Recht erwartet, dass unsere Kirche einen wesentlichen Beitrag für unser gesellschaftliches Leben leisten kann.

domradio.de: Sie sehen also Potentiale, wie genau könnten die denn aussehen?

Schneider: Wir sind nahe bei den Menschen. Unsere Pfarrerinnen und Pfarrer sind in einer erfreulichen Weise in den Gemeinden bekannt. Wir bemühen uns, die Nöten und Sorgen der Menschen ernst zu nehmen und auch zu artikulieren. Ich denke, das tun wir auch, wenn wir uns z.B. zu den Fragen von Krieg und Frieden oder auch der sozialen Gerechtigkeit äußern.

Die Potentiale für die Zukunft der evangelischen Kirche ergeben sich im Wesentlichen aus dem Evangelium selber. Wir haben einen Auftrag, wir sind unterwegs in der Gegenwart des Geistes Gottes in dieser Welt. Das macht unsere Stärke aus und bewirkt, dass Menschen uns wahrnehmen und den Eindruck haben, es lohnt, sich mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Wir müssen in einer Weise über den Glauben reden, die die Menschen auch verstehen. Der Glaube muss alttagstauglich werden, damit die hohe Theologie zu einer Frömmigkeit der Menschen werden kann.

domradio.de: Muss man versuchen, auch mit ökumenischen Mitteln, die Zahl der Austritte zu verringern?

Schneider: Ökumene spielt da eine ganz wesentliche Rolle. Wir sehen, dass aufgrund der Ereignisse in Limburg auch Menschen unsere Kirche verlassen. Das ist natürlich eine Form der Ökumene, die nicht hilfreich ist. Aber es zeigt, dass Menschen gar nicht mehr so unterscheiden zwischen den beiden Institutionen. Wir sollten das ernst nehmen, die Ökumene aber in einer qualifizierten und inhaltlich begründeten Art und Weise vorantreiben. Aber die Zahl der Kirchenaustritte ist seit Jahren rückläufig, und die Zahl der Kirchenmitglieder geht in erster Linie aufgrund des demografischen Wandels zurück. Wir taufen viel weniger, als wir beerdigen. Das ist unser Problem.

Das Interview führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR

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