Die Mitglieder der EKD-Synode, die seit Sonntag in Düsseldorf berät, fanden in ihren Tagungsunterlagen einen dicken Reader: Das für das evangelische Kirchenparlament erstellte Heft bündelt nicht nur zustimmende und kritische Beiträge zu dem Familienpapier. Es enthält auch eine Grafik, in der die Bewertung der Orientierungshilfe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) anhand der Wortmeldungen aus den vergangenen Monaten ersichtlich wird.
Mehr als die Hälfte der Beiträge fiel negativ oder ambivalent aus, zustimmende Reaktionen gab es nur zu 21 Prozent. Die Autoren der Orientierungshilfe, die sich stark macht für Formen des Zusammenlebens, in denen Verlässlichkeit und Verbindlichkeit gelebt werden, mussten sich vorhalten lassen, sie gäben das Leitbild der Ehe auf. Und dem Rat der EKD wurde angelastet, er habe ein theologisch schwaches Papier beschlossen.
Schneider: Nacharbeitungsbedarf beim Familienpapier
Nachdem ein wissenschaftliches Symposium im September bereits zu einer Versachlichung im evangelischen Ringen um das Eheverständnis beigetragen hatte, ging der EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider nun noch einen Schritt weiter. An die Kritiker und Befürworter appellierte Schneider zu Beginn der Beratungen des Kirchenparlaments, ihre Haltung nicht zu einer trennenden Bekenntnisfrage werden zu lassen, sondern "im theologischen Gespräch" zu bleiben. Er räumte ein, dass die Äußerungen zum Leitbild Ehe in dem Familienpapier nicht pointiert genug seien. Hier müsse nachgearbeitet werden.
In seinem denn auch explizit theologisch fundierten Bericht warb der frühere rheinische Präses für ein durchaus selbstkritisches Bibelverständnis. Die Auseinandersetzung über das Familienpapier sollte nicht biblizistisch, also mit Berufung auf einzelne Bibelstellen, geführt werden.
Eine Abwertung von Ehe und Familie sei keineswegs beabsichtigt, versicherte Schneider: "Wir machen Mut und Lust zur lebenslangen Ehe und verstehen sie als Leitbild." Aber auch andere Formen familiären Zusammenlebens, in denen Verlässlichkeit und Verantwortung gelebt werde, verdienten kirchliche Wertschätzung: Alleinerziehende, Patchworkfamilien und gleichgeschlechtliche Partnerschaften. "Auch in ihnen kann der Segen Gottes erwartet und erfahren werden."
Rücknahme des EKD-Textes ist nicht geplant
An eine Rücknahme des EKD-Textes ist nicht gedacht. Dass es dennoch weiterer theologischer Klärung bedarf, daran ließ der Ratsvorsitzende keinen Zweifel. Dazu beauftragte der Rat der EKD die Kammer für Theologie, einen Text zum evangelischen Eheverständnis vorzubereiten. Einen Vorschlag in diese Richtung hatte bereits im Sommer ein Kreis von evangelischen Altbischöfen ins Gespräch gebracht. Dem Vernehmen nach soll diese Stellungnahme noch innerhalb der Amtsperiode des EKD-Rates vorliegen, die 2015 endet.
Zu Irritationen führte das Familienpapier jedoch nicht nur unter evangelischen Christen. Die Orientierungshilfe habe auch vielen Katholiken die Orientierung schwer gemacht, bekannte Präsident Alois Glück vom Zentralrat der deutschen Katholiken in seinem Grußwort vor den Synodenmitgliedern.
Grußwort von katholischen Laien
Der Repräsentant der katholischen Laienbewegung rief Protestanten und Katholiken zu gemeinsamem Handeln auf. Ungeachtet aller Differenzen sollten sie sich dafür engagieren, den Verfassungsauftrag zum besonderen Schutz von Ehe und Familie unter veränderten Bedingungen neu mit Leben zu erfüllen.
Dem im Frühsommer präsentierten Familienpapier ist nach interner Lesart zumindest eines gelungen: Nach der Ostdenkschrift aus dem Jahr 1965 ist es der meistdiskutierte EKD-Text. Die evangelische Denkschrift mit dem Titel "Die Lage der Vertriebenen und das Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn" war vor der Folie des Kalten Krieges gesellschaftlich ebenfalls umstritten - und dennoch zählt sie bis heute zu den maßgeblichen Initiativen für eine Neuausrichtung der Ost- und Deutschlandpolitik.
Die Synodentagung der EKD war am Sonntagmorgen mit einem Gottesdienst eröffnet worden. In seiner Predigt rief der rheinische Präses Manfred Rekowski dazu auf, auf einen gerechten Gott zu vertrauen. "Auch wenn alles dagegen spricht: Gott tritt für deine Rechte ein", sagte Rekowski in dem vom ZDF übertragenen Gottesdienst.
Die EKD-Synode berät bis Mittwoch. Inhaltlicher Schwerpunkt sind die Themen Welternährung und nachhaltige Landwirtschaft, die unter dem Motto "Es ist genug für alle da" diskutiert werden.
NRW-Ministerin würdigt Kirchenengagement zum Schutz der Schöpfung
Mit Blick auf den Synodenschwerpunkt würdigte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) den Beitrag der Kirchen für die Bewahrung der Schöpfung. Es sei gut, dass die Politik in solchen Fragen den Austausch mit den Kirchen suche, sagte Kraft. "Wir, der Staat und die Kirche, haben eine gemeinsame Verantwortung", fügte sie hinzu. Ohne ein Umdenken und eine nachhaltigere Art zu Wirtschaften seien die Lebensgrundlagen der Menschheit bedroht. Auf ein solches Umdenken müssten Kirchen und Staat gemeinsam drängen.