Würde der Vertriebenen-Verband nach einer monatelangen Hängepartie endlich entscheiden, ob er seine Präsidentin Erika Steinbach für einen Sitz im Stiftungsrat der neuen Vertriebenen-Stiftung nominieren will? Erneut vertagt, lautete schließlich das Ergebnis. Die Bundesregierung befindet sich damit weiter in einem Dilemma.
Unter dem Dach der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" sollen in Berlin eine Dokumentationsstätte und eine Ausstellung über die Vertreibung der Deutschen am Ende des Zweiten Weltkriegs entstehen. Die alte Bundesregierung hat die Mitglieder des Stiftungsrats bereits berufen, die Arbeit hat begonnen. Sogar die Polen haben sich mit den Gedanken angefreundet, dass die Dauerausstellung ausgerechnet in Berlin ihre Heimat finden soll. Alles liefe harmonisch - wäre Erika Steinbach nicht.
Im Stiftungsrat sitzen Vertreter der Bundesregierung, des Bundestags, der Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie Museumsleiter. Der BdV nominierte Anfang des Jahres Steinbach und seine Vizepräsidenten Christian Knauer und Albrecht Schläger.
In Polen Sturm der Entrüstung
Die Personalie Steinbach entfachte in Polen einen Sturm der Entrüstung. Die BdV-Chefin wird dort als Vertreterin eines jahrelangen Revanchismus wahrgenommen. Die 66-jährige CDU-Bundestagsabgeordnete war die treibende Kraft, in Berlin eine Gedenkstätte für die deutschen Vertriebenen einzurichten. Von anderen, etwa polnischen Vertriebenen, war dabei zunächst keine Rede.
Auch als die Vertriebenen-Organisation "Preußische Treuhand" 2004 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Entschädigungsansprüche gegen Polen errichtete, distanzierte sich Steinbach nicht. Im Gegenteil, die gebürtige Westpreußin kritisierte den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) scharf, als der alle Entschädigungsforderungen zurückwies.
Bei Beobachtern der Szene gilt Steinbach trotz allem als gemäßigte Vertreterin der Vertriebenen. Aufmerksam wird auch registriert, dass sie sich als menschenrechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion engagiert für Flüchtlinge und Vertriebene der heutigen Zeit einsetzt.
Doch die Kritik an der Nominierung Steinbachs war so massiv, dass sie verzichtete und der BdV den dritten Sitz erst einmal unbesetzt ließ. Die Bundesregierung konnte erleichtert den Startschuss für die Arbeit der Stiftung geben. Denn im Gegensatz zur Union lehnte die SPD Steinbachs Teilnahme ab.
Verschiebung der Entscheidung
Diese Haltung vertritt jetzt auch die FDP. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte bei seinem Antrittsbesuch in Polen, das Vertriebenen-Zentrum solle Verständnis und Versöhnung fördern. Deswegen werde die neue Bundesregierung alles tun, dieses Ziel nicht zu stören. Dieses Petitum wiederholte der Außenminister in den vergangenen Tagen bei jeder Gelegenheit.
Die Union, zu deren klassischen Wählerschichten die Vertriebenen gehören, hat dem BdV hingegen stets das Recht zuerkannt, selbst über die Besetzung der ihm zustehenden drei Posten im Stiftungsrat zu entscheiden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte sich in den vergangenen Monaten zwar nicht aktiv für Steinbach ein, betonte aber dieses Jahr beim "Tag der Heimat", dem jährlichen Vertriebenen-Treffen, die neue Dokumentationsstätte "kann uns niemand mehr nehmen".
Steinbach wollte der Bundesregierung die parallel laufende Kabinettsklausur in Meseberg nicht verderben - und setzte sich für die Verschiebung der Entscheidung ein. Ob sie damit in dem Schlösschen im Brandenburgischen tatsächlich für Erleichterung gesorgt hat, ist
Aufschub der Nominierung Steinbachs verschafft der Koalition Atempause
Hängepartie in mehreren Akten
Präsidiumssitzungen des Bundes der Vertriebenen sind normalerweise keine Angelegenheit, die im Berliner Regierungsviertel aufmerksam registriert werden. Am Dienstag war das anders, auf der Tagesordnung stand die Personalie Steinbach.
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