Oppositionelle fordern mehr Unterstützung der Bundesregierung

Hilferuf der Exil-Syrer

In Syrien eskaliert die Gewalt weiter. "Die Menschen fürchten um ihr Leben", sagt im domradio.de-Interview Fredrik Barkenhammar vom Deutschen Roten Kreuz. Syrische Oppositionelle fordern mehr Unterstützung von der Bundesregierung.

Autor/in:
Christiane Jacke
 (DR)

Vertreter des Syrischen Nationalrats, der wichtigsten Exil-Organisation der Opposition, verlangen weitere Sanktionen gegen das Regime von Präsident Baschar Assad und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung. Außerdem riefen sie die deutsche Regierung am Freitag in Berlin auf, den syrischen Botschafter auszuweisen und ihr Bündnis als legitime Vertretung des syrischen Volkes anzuerkennen.



Das Assad-Regime geht seit fast einem Jahr mit brutaler Gewalt gegen Kritiker vor. Nach UN-Angaben wurden seit Beginn der Proteste im März mehr als 5.400 Menschen getötet. Aktivisten zufolge starben allein seit dem vergangenen Samstag in der Protesthochburg Homs mehrere hundert Menschen. Die Vertreter des Syrischen Nationalrats sprachen von mehr als 500 getöteten Zivilisten in einer Woche.



Nationalratsmitglied Ferhad Ahma beklagte, es gebe in Syrien Massenhinrichtungen, Folter und Vergewaltigungen. Die internationale Gemeinschaft dürfe diese Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht länger dulden, sondern müsse intervenieren und die syrische Bevölkerung schützen. Wer die Menschen dort nicht unterstütze, riskiere, dass es weitere Massaker und einen landesweiten bewaffneten Konflikt gebe.



Trotz des Blutvergießens ist eine UN-Resolution gegen das syrische Regime bislang nicht zustande gekommen. Der jüngste Anlauf scheiterte am vergangenen Wochenende erneut am Widerstand Russlands und Chinas. Die Vereinten Nationen und die Arabische Liga haben nun angeregt, eine gemeinsame Beobachtermission nach Syrien zu schicken und einen UN-Sonderbeauftragten einzusetzen. Außerdem werden weitere Sanktionen der EU gegen Damaskus vorbereitet, und eine internationale Kontaktgruppe soll gegründet werden.



"Gegen diplomatische Beziehungen zu einem mörderischen Regime"

Hozan Ibrahim aus dem Generalsekretariat des Syrischen Nationalrats sagte, die Menschen seien nach der Blockade der Resolution verzweifelt und warteten auf ein Signal der Weltgemeinschaft. Nötig sei humanitäre Hilfe für die Bevölkerung. Die Menschen in Homs etwa müssten mit Medikamenten versorgt werden. Außerdem müsse der syrische Botschafter Berlin verlassen. Ahma beklagte: "Es kann nicht sein, dass Deutschland weiterhin Beziehungen zu einem mörderischen Regime pflegt."



Die Bundesregierung hatte am Donnerstag vier syrische Diplomaten ausgewiesen. Bei ihnen gebe es "deutliche Hinweise" auf Aktivitäten, die mit dem Diplomatenrecht nicht vereinbar seien, hieß es zur Begründung. Bereits am Dienstag hatten die Behörden zwei mutmaßliche syrische Spione festgenommen. Sie sollen jahrelang syrische Oppositionelle in Deutschland bespitzelt haben.



Ahma hatte den Druck auf die syrische Opposition selbst zu spüren bekommen: Im Dezember attackierten ihn Unbekannten in seiner Berliner Wohnung mit Schlagstöcken. Ahma begrüßte die Ausweisung der vier syrischen Botschaftsmitglieder, verlangte aber mehr. Aus dem Außenamt hieß es, Ressortchef Guido Westerwelle (FDP) behalte sich weitere Schritte vor. Welche das seien, stehe noch nicht fest.



Eine internationale Militärintervention verlangten die syrischen Oppositionellen ausdrücklich nicht. Zunächst sei es Zeit für politische und ökonomische Sanktionen. Sie brachten aber die Option ins Gespräch, angesichts der Blockade im UN-Sicherheitsrat einen Umweg über die UN-Vollversammlung zu gehen, die eine Entscheidung an sich ziehen könnte. Die rechtlichen Details eines solchen Sonderwegs sind jedoch unklar, ebenso dessen Wirkung.



Ein Ende der Proteste in Syrien ist nach Einschätzung der Oppositionellen nicht in Sicht. "Der Widerstand wird so lange weitergehen, bis das Regime Assad gefallen ist", sagte Ahma. Elias Perabo, Initiator eines zivilgesellschaftlichen Projekts zur Unterstützung der Revolution, sagte, der Protest werde immer größer und breiter. Neue Bevölkerungsgruppen hätten sich inzwischen angeschlossen. "Es ist nicht alles schon verloren."