Christen in Syrien werden Ziele der Gewalt

Zeit der Zerstörung

Die Gewalt in Syrien ebbt nach Angaben von Oppositionellen nicht ab. In der Stadt Sednaya ist eine Mörsergranate in einem griechisch-orthodoxen Kloster eingeschlagen. Die Gemeinde ist stark verunsichert. Viele Christen haben Angst und hoffen auf ausländische Hilfe.

Autor/in:
Karin Leukefeld
Angriff auf syrisches Kloster - Schwester Stefanie zeigt Schäden  (KNA)
Angriff auf syrisches Kloster - Schwester Stefanie zeigt Schäden / ( KNA )

Niemand weiß, woher die Mörsergranate kam. Am 31. Januar um die Mittagszeit habe sie plötzlich einen lauten Knall gehört, erzählt die Äbtissin des kleinen griechisch-orthodoxen Ordens, der seit Jahrhunderten in dem Kloster der Jungfrau Maria in der syrischen Stadt Sednaya zu Hause ist. Eine Erschütterung habe die dicken Mauern erzittern lassen, dann sei es still geworden. Die Nonnen liefen rasch auf die Terrasse der Klosteranlage hinaus. In einem der Gästezimmer sei das Mauerwerk aufgerissen gewesen, am Boden lag der Kopf einer Mörsergranate, die offenbar von einem Sessel gestoppt worden war. "Die Jungfrau Maria hat uns beschützt", sagt die Ordensleiterin. Mit ihren schützenden Händen habe sie "den tödlichen Sprengkopf entschärft".



Wer sind die Angreifer?

Einige der Journalisten, die an der vom syrischen Informationsministerium organisierten Fahrt nach Sednaya teilnehmen, äußern Zweifel. "Warum wird das Kloster überhaupt angegriffen, wenn es doch unter dem Schutz der Jungfrau Maria steht?", fragt die Kollegin einer spanischen Zeitung. Das müsse sie diejenigen fragen, die die Granate abgefeuert hätten, antwortet die Äbtissin knapp.



"Und wer sind die Angreifer?", will die Kollegin weiter wissen. Sie wisse es nicht, aber Syrien durchlebe eine Zeit der Zerstörung.



Sie wissen nicht, was sie tun

Vielleicht könnten die Journalisten ja herausfinden, warum das alles in Syrien geschehe? Diejenigen, die zerstörten, "wissen nicht, was sie tun", fährt sie mit ruhiger Stimme fort: "Denn wüssten sie es, würden sie es nicht tun." Schließlich weist die Äbtissin eine der jüngeren Nonnen an, der Journalistengruppe den Einschlagsort zu zeigen.



Schwester Stefanie eilt vor der Gruppe die Treppe zur Dachterrasse empor. Nach dem Tod ihrer Eltern sei sie mit vier Jahren im Waisenhaus des Klosters aufgenommen worden, erzählt die energische, jugendlich wirkende Nonne. 40 Jahre sei das her, sagt sie mit einem Lachen und streicht ihr langes schwarzes Kleid glatt. Über einen breiten Sims, der zum Hof hin mit einem Geländer abgesichert ist, geht es an den Schlafräumen der Waisenkinder vorbei zu den Gästezimmern. Die Mauer zwischen den kleinen, schmalen Fenstern ist behelfsmäßig repariert, das Mobiliar - zwei Betten, Tisch, Stühle und Sessel - sind im Nachbarraum gestapelt. Glücklicherweise sei niemand im Zimmer gewesen, sagt Schwester Stefanie.



Hoffnung auf ausländische Hilfe

Die 64-jährige Mathilda Mansour ist in Sednaya geboren und wohnt unterhalb der mächtigen Klostermauern. Nie habe sie so etwas erlebt, erzählt die pensionierte Kindergärtnerin, die im Morgenrock vor ihrem Haus steht. Natürlich habe sie Angst, es sei höchste Zeit, dass endlich ein Weg aus der Gewalt gefunden werde. Sie freue sich über jede ausländische Hilfe, die dem Land Frieden brächte.



Allerdings habe sie Al-Dschasira, Al-Arabiya und France 24 von der Programmliste ihrer Fernseh-Fernbedienung gelöscht, "weil sie den Krieg nur anheizen".



Aus einem Lautsprecher am Turm der Klosterkirche erschallt liturgischer Gesang, dort geht soeben ein Gottesdienst zu Ende.



Mehr Menschen kommen nach dem Angriff zur Messe

Journalisten seien während des Gottesdienstes nicht willkommen, hatte Pater George Nijmeh, der die Predigt gehalten hat, im Vorfeld erklärt. Danach sei er gern bereit, Fragen zu beantworten. Die Menschen strömen die Kirchenstufen herunter, manche weichen den Fragen der Journalisten aus, andere antworten bereitwillig. Niemand wisse, wer hinter dem Angriff stecke, sagt Pater George Nijmeh vorsichtig. Zum Gottesdienst seien jedoch viel mehr Menschen gekommen als sonst, um ihre Solidarität zu zeigen.



Die Gemeinde sei verunsichert angesichts der Gewalt, die das Land erschüttere, sagt er: "Es kann jeden treffen." Er bedauere die Haltung der europäischen Staaten, mit denen sie als Christen doch so viel verbinde, sagt der Priester. Verhandlungen und Gespräche seien der richtige Weg, nicht wirtschaftliche und politische Bestrafung.



"Entschuldigen Sie meine harten Worte, aber die Haltung der EU geht auf Kosten jeglicher Moral."