Deutsche Bischöfe legen Papier zu Energiepolitik vor

Aus höherer Warte

Punkt- oder Bauchlandung? Diese Frage stellt sich unweigerlich nach Lektüre der jetzt von den deutschen Bischöfen veröffentlichten "Anregungen für einen nachhaltigen Umgang mit Energie". Erzbischof Marx betont in seinem Vorwort, die Energiefrage sei auch eine Gerechtigkeitsfrage. Wenn die Bischöfe diesen Ansatz weiterverfolgen, könnten sie mit ihrem Papier tatsächlich für frischen Wind in der Diskussion sorgen.

Autor/in:
Joachim Heinz
 (DR)

Einerseits scheint der Zeitpunkt der Veröffentlichung kurz vor der Präsentation des Abschlussberichts der von der Bundesregierung eingesetzten Ethikkommission zur Atomenergie geschickt gewählt. Andererseits ist die "Arbeitshilfe", verfasst unter Federführung der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, Ergebnis von rund zwei Jahren Beratungen.



Wenige Zeilen zur Kernenergie

Die Aktualität das Papiers war also zu Beginn nicht abzusehen, wie der Kommissions-Vorsitzende, der Münchner Kardinal Reinhard Marx, in seinem Vorwort einräumt. Und genauso liest sich das 52 Seiten starke Dokument auch - zumindest stellenweise. So wird die Kernenergie erstmals ausdrücklich auf Seite 42 genannt. Die Frage nach deren Zukunft der Kernkraft, die die Öffentlichkeit derzeit am meisten bewegt, handeln die Experten der Bischofskonferenz auf wenigen Zeilen ab.





Die Botschaft ist dennoch klar: So schnell wie möglich raus aus einer Technologie, deren Risiken langfristig ethisch nicht vertretbar sind. Und: Ebenfalls rasch Lösungen zur Entsorgung des radioaktiven Abfalls finden, der jetzt schon zur Hypothek für künftige Generationen zu werden droht. Doch das alles ist nicht unbedingt neu.



Grundsatzdiskussion ohne schrille Töne

Trotzdem: Dass das Papier nicht auf die aktuelle Atom-Energiedebatte zugeschrieben ist, hat auch Vorteile. Von den Zwängen einer mitunter schrillen und hektischen Diskussion nach dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima befreit, konnten die Autoren ins Grundsätzliche gehen. Für sie gehört die Energiefrage zu den vordringlichsten Herausforderungen der Menschheit zu Beginn des 21. Jahrhunderts.



Zu lösen sei das Problem nicht nur durch politische Maßnahmen, etwa durch den Ausbau erneuerbarer Energien wie Wind- oder Wasserkraft. Erforderlich sei vielmehr auch die Ausbildung "neuer, global verantwortbarer und zukunftsverträglicher Wohlstandsmodelle, die die Fixierung auf Produktion und Konsum durch eine Stärkung sozialer, kultureller und religiöser Werte überwinden und sich an den Zielen des vorsorglichen Haushaltens orientieren". Im Klartext: Vor allem die Bewohner der reichen Industrienationen müssen den Gürtel enger schnallen und aufhören, auf Kosten der ärmeren Staaten zu leben. Die Energiefrage sei auch eine Gerechtigkeitsfrage.



Energiewende ist ohne Einschnitte nicht zu haben

Wenn sie diesen Ansatz weiterverfolgen, könnten die Bischöfe mit ihrem Papier tatsächlich für frischen Wind in der Diskussion sorgen. Denn immer noch suggerieren allzu viele politische Sonntagsredner, dass eine Energiewende ohne größere Einschnitte zu haben sei. In einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" bekräftigte Kardinal Marx am Erscheinungstag der "Arbeitshilfe" das grundsätzliche Anliegen der Kirche noch einmal. "Atomfreier Strom macht noch keine Energiewende", so der Erzbischof. Energiesparen sei angesagt sowie Investitionen in Entwicklung und Forschung, um den Umschwung einzuleiten. Das Credo des Kardinals: "Der Horizont der Kirche wird gerade nicht durch das Thema Kernenergie begrenzt."



Und noch etwas stellt Marx in seinem Gastbeitrag klar. Die eigentliche Arbeit geht jetzt erst los. Das Papier der Bischöfe und der Abschlussbericht der Atom-Ethikkommission können nur eine Etappe auf einem langen Weg sein. Eine konkrete Hoffnung hat das Kommissionsmitglied Marx allerdings: Dass das Gremium ein Ergebnis vorlegt, das Legislaturperioden überdauert, aber zugleich zeigt, "dass es um eine Gemeinschaftsaufgabe geht". Nichts weniger als ein "gesellschaftlicher Konsens über die zukünftige Gestaltung der Energieversorgung" wird angestrebt. Es wird spannend sein zu sehen, ob die Einsichten aus dem kirchlichen Papier auch in den Bericht der Ethik-Kommission der Bundesregierung eingeflossen sind. Das Ergebnis wird am kommenden Montag vorliegen.