Neue Christliche Patientenvorsorge veröffentlicht - Hier als Download

Selbstbestimmung und Fürsorge

Mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes zu Patientenverfügungen haben die christlichen Kirchen eine neue Handreichung für christliche Patientenvorsorge vorgestellt. Bei der Vorstellung warb der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, es sei "sinnvoll und ethisch verantwortlich" Vorsorgeverfügungen zu treffen.

Autor/in:
Christoph Arens
Präsentierten die Christliche Patientenversorgung: Landesbischof Friedrich Weber, Erzbischof Robert Zollitsch und Landesbischof Jochen Bohl / © Boecker
Präsentierten die Christliche Patientenversorgung: Landesbischof Friedrich Weber, Erzbischof Robert Zollitsch und Landesbischof Jochen Bohl / © Boecker

Die Beschäftigung mit der eigenen Sterblichkeit "in gesunden Tagen" sei eine Chance, die man nutzen sollte.



Frühzeitige Benennung von Vertrauenspersonen

"Wir hoffen, einen Weg zwischen unzumutbarer Lebensverlängerung und nicht verantwortbarer Lebensverkürzung aufzuzeigen", heißt es in der rund 50 Seiten umfassenden Broschüre. Sie rät dazu, nicht nur eine Patientenverfügung abzufassen, sondern auch eine Vorsorgevollmacht und eine Betreuungsverfügung auszustellen. So sollen frühzeitig Vertrauenspersonen als Bevollmächtigte und rechtliche Betreuer benannt und festgelegt werden, welche medizinische Behandlung gewünscht oder ausgeschlossen wird.



Zollitsch betonte, die Kirchen spürten, dass viele Menschen "zu Recht gerade bei den Fragen und Problemen am Lebensende Orientierung und Antworten" von ihnen erwarteten. Das wird auch daran deutlich, dass die bereits 1999 und 2003 veröffentlichten Fassungen einer christlichen Patientenverfügung rund drei Millionen Mal abgerufen wurden.



Mit der Neufassung reagieren die Kirchen auf die 2009 vom Bundestag beschlossene Regelung zu Patientenverfügungen. Festgelegt ist, dass Patientenverfügungen für Ärzte und Angehörige in jedem Fall verbindlich sind, unabhängig vom Krankheitsstadium. Fordert also der Patient für den Fall, dass er schwer erkrankt ist und sich selbst nicht mehr artikulieren kann, die Einstellung lebenserhaltender medizinischer Maßnahmen, muss der Arzt dies umsetzen.



Wachkoma und schwerste Demenz sind keine Sterbephasen

Für die Kirchen eine nur schwer erträgliche Lösung: Insbesondere die katholische Kirche hatte im Gesetzgebungsprozess für eine Reichweitenbegrenzung der Patientenverfügung auf die Sterbephase gekämpft und sich dafür eingesetzt, dass kein Automatismus bei der Umsetzung entsteht. Es solle immer überprüft werden, ob die vorab verfasste Patientenverfügung wirklich dem aktuellen Willen des Schwerstkranken entspreche. Zugleich hatten die Kirchen betont, dass Patienten im Wachkoma und Patienten mit schwerster Demenz sich nicht in der Sterbephase befinden.



Eine Haltung, die sich jetzt auch in der kirchlichen Handreichung niederschlägt. Die Broschüre konzentriert sich auf zwei Bereiche:

auf den unabwendbaren Sterbeprozess und auf das Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit. Damit würden die im Gesetz eröffneten Möglichkeiten für eine Patientenverfügung nicht ausgeschöpft, kritisierte die Deutsche Hospiz Stiftung. Gesetzlich mögliche Behandlungsabbrüche bei schwer Demenzkranken thematisiere die Erklärung gar nicht. Beim Thema Wachkoma präsentiert die Handreichung zwei unterschiedliche Textbausteine, in denen sich unterschiedliche Haltungen von evangelischer und katholischer Kirche widerspiegeln. Die evangelische Kirche sieht in gewissen Fällen die Möglichkeit, auch bei Wachkomapatienten alle Behandlungen abzubrechen.



Wieviele Bundesbürger Patientenverfügungen verabschiedet haben, darüber gibt es nur Schätzungen. Von zehn Millionen Verfügungen ist gelegentlich die Rede. Fest steht, dass rund 1,2 Millionen Bürger ihre Vorsorgeurkunde im Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer hinterlegt haben.



Von einem steigenden Bewusstsein für dieses Problem geht der Präsident der Europäischen Palliativgesellschaft, Lukas Radbruch, aus. Die Debatte um das Gesetz zur Patientenverfügung habe die Aufmerksamkeit der Bürger enorm erhöht. "Hatten vor einigen Jahren nur 9 Prozent der Patienten auf Palliativstationen eine Patientenverfügung, so waren es im vergangenen Jahr 27 Prozent", so der Bonner Palliativmediziner. Die Menschen setzten sich viel mehr mit solchen persönlich schwierigen Fragen auseinander.