Pariser Parlament billigt Gesetzentwurf

Nur eine Stimme gegen Burkaverbot

Die Abstimmung bot keine Überraschung: 335 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung stimmten am Dienstag in Paris für ein Burkaverbot. Nur eine Stimme erhob sich dagegen. Zahlreiche Abgeordnete von Sozialisten und Kommunisten waren aber dem Plenarsaal ferngeblieben, in dem normalerweise 577 Abgeordnete tagen.

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Die Abstimmung bot keine Überraschung: 335 Abgeordnete der französischen Nationalversammlung stimmten am Dienstag in Paris für ein Burkaverbot. Nur eine Stimme erhob sich dagegen. Zahlreiche Abgeordnete von Sozialisten und Kommunisten waren aber dem Plenarsaal ferngeblieben, in dem normalerweise 577 Abgeordnete tagen. Sie demonstrierten damit Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs. Über diesen muss jetzt der Senat im September abstimmen. Ob das dann im Parlament verabschiedete Gesetz unverändert in Kraft treten kann, ist offen. Rund 2.000 Trägerinnen von Burka und Nikab soll es in Frankreich geben.

"Niemand darf im öffentlichen Raum eine Kleidung tragen, die dazu bestimmt ist, das Gesicht zu verhüllen", heißt der erste Artikel des Gesetzentwurfs. Frauen, die in der Öffentlichkeit Burka oder Nikab tragen, sollen mit 150 Euro Strafe sowie einem verpflichtenden Kurs in Staatsbürgerkunde belegt werden können. Wer andere durch Gewalt oder Machtmissbrauch zum Tragen der Burka nötigt, soll mit einem Jahr Haft und bis zu 30.000 Euro Strafe verurteilt werden können. Werden Minderjährige zum Tragen des Ganzkörperschleiers gezwungen, soll die Strafe verdoppelt werden können.

So besteht die Möglichkeit, dass Frankreich schneller als andere europäische Länder Burka und Nikab verbietet. Zwar wird auch in Spanien und Belgien über ein Verbot diskutiert. In Belgien stimmte die Abgeordnetenkammer vor den Neuwahlen schon einem vollständigen Verschleierungsverbot zu. Das Votum des Senats steht aber noch aus. In Spanien ist ein eingeschränktes Verbot in der parlamentarischen Beratung, das den Ganzkörperschleier aus öffentlichen und staatlichen Einrichtungen verbannen soll.

Der französischen Regierungspartei UMP ist es gelungen, Kritiker in den eigenen Reihen auf Linie zu bringen. Waren im vergangenen Jahr die Meinungen noch geteilt, so ist das Burkaverbot inzwischen deutlich weniger umstritten. Einer parlamentarischen Entschließung, die Burka und Nikab als unvereinbar mit den Werten der Republik bezeichnete, schloss sich im Mai eine überwältigende Mehrheit der Abgeordneten an, Sozialisten inbegriffen.

Kritik kam damit zuletzt nur noch von Religionsvertretern und Juristen. Der einflussreiche, die liberalen Strömungen des Islam in Frankreich repräsentierende Rektor der Pariser Moschee Dalil Boubakeur meinte, ein gesetzliches Verbot schränke die individuellen Freiheiten unzulässig ein. Auch mehrere katholische Bischöfe lehnten die Verbotsidee ab. Juristen wie etwa der beratende Staatsrat äußerten Zweifel, ob das geplante völlige Verbot vor der Verfassung Bestand haben könne.

Um solche Zweifel auszuräumen, will die UMP selbst die Prüfung des Gesetzes durch den Verfassungsrat beantragen. Beobachter sehen darin ein gewagtes Spiel - oder Taktik. Ob die Verfassungsrichter das völlige Verbot billigen, sei unsicher, heißt es. Andere meinen, in jedem Fall könnten Staatspräsident Nicolas Sarkozy, vehementer Befürworter eines Burkaverbots, und seine Partei den Wählern vor allem am rechten Rand signalisieren, sie hätten alles versucht, was in ihrer Macht stehe.

Die Auseinandersetzung um die Burka folgt sechs Jahre, nachdem ein Verbot des islamischen Kopftuchs in Frankreichs Schulen in Kraft getreten ist. 2004 untersagten die Abgeordneten indes nicht ein einzelnes Kleidungsstück, sondern jegliche auffälligen religiösen Symbole, also etwa auch große Kreuze oder die jüdische Kippa.

Gespannt darf man sein, wie der Europäische Menschenrechtsgerichtshof entscheidet, sollte er zum Burkaverbot angerufen werden. Beim Kopftuchverbot gaben die Richter Frankreich Recht - das Verbot sei zulässig. Nach Richtermeinung "kann es in einer demokratischen Gesellschaft, in der verschiedene Religionen miteinander auskommen müssen, nötig sein, dass Regeln auferlegt werden müssen, die die religiösen Freiheiten beschneiden, um die Interessen der unterschiedlichen Gruppen zu vereinbaren und zu garantieren, dass der Glauben von allen respektiert wird." Ob das auch gilt, wenn das Verbot die Betroffenen vom gesamten öffentlichen Leben ausschließt, muss sicher neu verhandelt werden.