Das erste Arbeitspapier der Nahost-Synode liegt vor

Christliche Pioniere für die arabische Nation

Die für Oktober einberufene Nahost-Synode nimmt konkrete Formen an. Seit Dienstag liegt das erste Vorbereitungspapier vor. Aus dem Dokument wird deutlich, dass auch die großen Konflikte der Region auf den Tisch kommen, wenn sich Patriarchen und Bischöfe aus sieben katholischen Ostkirchen gemeinsam mit nichtkatholischen Amtskollegen sowie muslimischen und jüdischen Gästen im Vatikan versammeln.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
Interreligiöse Theologie (DR)
Interreligiöse Theologie / ( DR )

Die Brennpunkte der Gesprächsanliegen: Binnenkirchlich der Gläubigenschwund durch Emigration und die Aufweichung religiöser Sitten; in einer weiteren Perspektive die Lage der christlichen Minderheiten in ihren jeweiligen Ländern. Von Ägypten bis zum Iran sähen sich Christen einem erstarkenden Islamismus gegenüber, nicht selten fühlen sie sich als Spielball in sozialen oder politischen Konflikten. Ziele der Synode sind daher eine Stärkung der christlichen Identität, mehr Zusammenarbeit der Kirchen untereinander, Dialog mit Islam und Judentum sowie eine mutigere Behauptung der eigenen Rolle in Staat und Gesellschaft.

Viele Krisenherde in der Region
Dabei ist die Situation in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich. Im Irak hat laut den «Lineamenta» (so der Titel des Vorbereitungspapiers) der Krieg «die Kräfte des Bösen entfesselt» und vor allem die Christen zur Zielscheibe von Gewalt gemacht. Im Libanon sind die Kirchen politisch wie konfessionell zerstritten. Religionsfreiheit in der Türkei bleibt ein Problem, in Ägypten wachse die Intoleranz gegenüber Christen und eine schleichende Islamisierung über Medien und die staatlichen Schulen.

Einen Sonderfall bildet das Heilige Land. Die israelische Besatzung in den Palästinensergebieten behindert das Alltagsleben; dass fundamentalistische christliche Gruppen die Besetzung auch noch mit der Bibel rechtfertigen, macht laut dem Vatikan-Dokument die Lage für palästinensische Christen unter ihren Landsleuten noch schwieriger.

Interreligiöser Dialog als einzige Lösung
Breiten Raum widmet das Papier, das den Kirchen vor Ort als Diskussionsvorlage und Fragebogen dienen soll, daher dem interreligiösen Dialog. Das Gespräch mit den Juden steht im Heiligen Land unter dem Dilemma des Palästinakonflikts. Ohne auf das vom Vatikan immer wieder bekräftigte Existenzrecht Israels einzugehen, mahnen die «Lineamenta» zur Trennung zwischen Religion und Politik. Weder dürfe man «die Bibel zu politischen Zwecken noch die Politik zu theologischen Zwecken» gebrauchen.

Energisch auch der Ruf nach einem Schulterschluss mit den Muslimen: Extremistische Strömungen seien «eine Bedrohung für alle, Christen und Muslime». Auch wenn der islamischen Fundamentalismus in vielen Nahostländern erstarke, zeige sich doch auch die «Bereitschaft einer großen Zahl von Muslimen, gegen den wachsenden religiösen Extremismus zu kämpfen».

Menschenrechte als Teil der Bildung
Dabei setzt die Kirche traditionell auf ihr Bildungssystem.
Katholische Schulen sollen Schülern - gleich ob Christen oder Muslimen - Menschenrechte und Gewissensfreiheit nahebringen. In Sachen christlicher Ökumene will die Synode liturgisch neue Akzente setzen: Verkündigungsinitiativen, vielleicht auch mit einem ökumenisch getragenen TV-Programm, sollen die christliche Identität stärken und Vorurteile der muslimischen Nachbarn entkräften.

Es ist eine kleine christliche Herde im Orient - ihr Anteil reicht von zehn Prozent in Ägypten bis nicht einmal ein Prozent im Iran. Dennoch appelliert das Dokument an das konfessionelle Selbstbewusstsein, erinnert an die tragende Rolle, die Christen für ihre Länder spielten: «Sie waren die Pioniere des Wiedererstehens der arabischen Nation.»

Jetzt beginnen vor Ort Beratungen anhand der «Lineamenta». Die Ergebnisse werden in der eigentlichen Arbeitsvorlage der Synode zusammengefasst, dem «Instrumentum laboris». Papst Benedikt XVI. wird es während seiner Zypernreise im Juni vorstellen. Unterdessen schürzt sich der Knoten im iranischen Atomkonflikt. Je nach Gang der Dinge könnten im Oktober auch ganz andere Themen auf der kirchlichen Agenda stehen.