Papst beruft Sondersynode für Nahen Osten ein

Die Zeit drängt

Mit einer spektakulären Initiative holt Papst Benedikt XVI. den Nahen Osten auf die Tagesordnung. Bei einem Treffen mit den Patriarchen der katholischen Ostkirchen von Beirut bis Bagdad kündigte er am Samstag in seiner Sommerresidenz Castelgandolfo für den 10. bis 24. Oktober 2010 eine Sondersynode zu diesem Thema an. Auf ihr werden die Bischöfe der Region über Stand und Zukunft ihrer Kirchen beraten. Kaum denkbar, dass dabei nicht friedenspolitische Fragen und das Zusammenleben mit den Muslimen eine Rolle spielen.

Autor/in:
Burkhard Jürgens
 (DR)

Es wird das erste derartige Regionaltreffen katholischer Oberhirten aus dem Nahen Osten. Eine Vorläuferveranstaltung in kleinerem territorialen Rahmen war die Libanon-Synode 1995. Damals ging es um ein einzelnes Land, das in einem 16-jährigen Bürgerkrieg den einstigen Ruf als «Schweiz des Nahen Ostens» gründlich demontiert hatte, und um das Zusammenleben von Christen unterschiedlicher Konfessionen, Schiiten, Sunniten und Drusen.

Die jetzt angekündigte Regionalsynode zieht den Kreis weiter: Mit Bischöfen aus Ägypten und Jordanien werden Kirchenführer aus Syrien, Iran und Irak beraten, Oberhirten aus Armenien und Libanon, vielleicht der einzige Bischof der arabischen Halbinsel, der Schweizer Paul Hinder, und nicht zuletzt Kirchenvertreter aus Israel und den Palästinensergebieten. Dementsprechend komplex und vielfältig sind die politischen Verhältnisse, die in der Synodenaula des Vatikan zur Sprache kommen werden.

Ein Problem betrifft indes alle: die Abwanderung. Sei es aufgrund von Krieg oder einem allgemein erstarkenden islamischen Selbstbewusstsein - in der gesamten Region verlassen Angehörige der christlichen Minderheit ihre Heimat. Es sind oft die besser ausgebildeten und aufstrebenden jungen Christen, die im westlichen Ausland neue Chancen suchen. Der Aderlass macht für die Zurückbleibenden das Leben noch schwerer.

Aber auch die katholischen Kirchen und Ritengemeinschaften untereinander - Maroniten, Kopten, Armenier, Chaldäer, Syrer und andere - ziehen nicht immer an einem Strang. Kaum zufällig steht das Bischofstreffen unter dem Motto «Die katholische Kirche im Nahen Osten - Gemeinschaft und Zeugnis». Bezeichnend der Vers aus der Apostelgeschichte des Neuen Testaments, den das Synodenmotto ergänzend zitiert: «Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele.» Die Botschaft ist klar: Christen sollen Solidarität üben, um gemeinsam die übrigen Probleme angehen zu können - auch ihr Verhältnis zu Muslimen und ihre Rolle im politischen Friedens- und Entwicklungsprozess.

Dass Benedikt XVI. der Frieden im Nahen Osten ebenso wie die Kooperation aller Christen in der Region ein Anliegen ist, hat er in Ansprachen und Botschaften häufig genug deutlich gemacht. Offenbar wird er die Arbeiten der Synode persönlich aufmerksam begleiten.
Jedenfalls bietet sich mit dem Synodentermin eine Erklärung an, weshalb die für den Herbst 2010 erwartete Deutschlandreise des Papstes abermals aufgeschoben wird.

Die Anregung zu dem katholischen Krisengipfel für Nahost kam anscheinend aus dem Kreis der Patriarchen selbst, die zum Gespräch mit Benedikt XVI. in Castelgandolfo zusammentrafen: der maronitische Patriarch Nasrallah Sfeir, das syrisch-katholische Oberhaupt Ignace Youssef III. Younan und der Armenier Bedros XIX. Tarmouni aus Beirut, weiter der griechisch-melkitische Patriarch Gregorios III.
Laham aus Damaskus, der lateinische Patriarch Fouad Twal aus Jerusalem, der chaldäische Patriarch Emmanuel III. Delly aus Bagdad und der Kopte Antonios Naguib aus Alexandria.

Einem Vatikan-Mitarbeiter zufolge ist es an sich schon bemerkenswert, dass die selbstbewussten Kirchenführer sich zu der gemeinsamen Visite durchringen konnten. Umso mehr sei von der Synode zu erwarten. «Die Orientalen sind immer für Überraschungen gut», meinte der Kuriale.