Trauerandacht und Gedenkmarsch für Robert Enke - Käßmann warnt vor Nachahmung

"Jetzt ist die Zeit der Trauer"

Tausende Menschen haben in Hannover des toten Fußball-Nationaltorhüters Robert Enke gedacht. Sie zogen von der Innenstadt zum Stadion von Hannover 96. Schweigend, mit gesenkten Köpfen, fast gespenstisch zogen sie zum Stadion des Fußball Bundesligisten, wo Kondolenzbücher aus liegen. Viele hielten Kerzen oder auch Fackeln in der Hand. Kurz vor dem Trauermarsch hatte es in der hannoverschen Marktkirche eine Andacht gegeben.

 (DR)

Die hannoversche Landesbischöfin Käßmann sagte, Enke sei ein Vorbild und Hoffnungsträger gewesen. Er habe seinen hundertprozentigen Einsatz für den Sport mit einem sozialen Einsatz verbunden. Es habe viele Menschen berührt, wie er mit Krankheit und Tod seiner Tochter umgegangen sei. Er lasse viel zurück, was ihm kostbar und wertvoll gewesen sei.

Das Gedenken gelte sowohl Robert Enke als auch seiner Frau Teresa und der kleinen Tochter, sagte Käßmann. Mit eingeschlossen seien auch die Mannschaftskollegen, die Trainer, Betreuer und alle Fans, die die Nachricht so getroffen habe. Zu denken sei auch an die beiden Lokführer sowie die Einsatzkräfte und die Notfallseelsorger, die an der Unfallstelle waren.

Der Tod Enkes zeige, wie zutiefst zerbrechlich und gefährdet das Leben sei, betonte die Bischöfin: "Hinter Glück, Erfolg und Beliebtheit können abgrundtiefe Einsamkeit und Verzweiflung liegen, die Menschen an ihre Grenzen führen." Es sei sehr traurig, dass Enke es nicht gewagt habe, über Depressionen und Krankheit zu sprechen. Er habe gefürchtet, dies könne als Schwäche angesehen werden oder die Adoption der Tochter gefährden.

"Betroffen macht mich, dass er keinen anderen Ausweg mehr wusste", sagte der Hildesheimer Bischof Norbert Trelle am Mittwoch auf Anfrage. "Seine freundliche und freundschaftliche Art hat Robert Enke immer ausgezeichnet - auch auf dem Fußballplatz." So habe er die Herzen seiner Fans erreicht, so Trelle. "Ich werde für Robert Enke und für seine ganze Familie beten."

"You'll never walk alone"
Teresa Enke müsse nun mit Gottes Hilfe einen Weg für sich und die Tochter finden. "You'll never walk alone" gelte für sie, aber auch für Enkes Kameraden, die Verantwortlichen im Fußballsport und alle Fans: "Bei Gott können wir zur Ruhe kommen in aller unserer Unruhe."

An die Fußball-Fans gewandt, betonte Käßmann eindringlich: "Robert Enke würde nicht wollen, dass ihm jemand auf diesem Weg folgt! Er hat das Leben geliebt und wünschte sich Wege zum Leben."

An der Feier nahmen Enkes Witwe Teresa, Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack, Bundestrainer Joachim Löw, Teammanager Oliver Bierhoff und DFB-Präsident Theo Zwanziger teil. Auch die Bundesliga-Mannschaft von Hannover 96 war in die Marktkirche gekommen. Zahlreiche Spieler zündeten Kerzen vor dem Altar an.

Nach der Andacht zogen Trauernde von der Innenstadt zum Stadion. Nach Polizeiangaben versammelten sich dort 20.000 bis 25.000 Menschen. Fans legten Blumen nieder und steckten Kerzen an. Viele trugen Trikots und Schals von Hannover 96.

Entschuldigung im Abschiedsbrief
Enke starb in Neustadt am Rübenberge bei Hannover, nachdem er von einem Zug erfasst worden war. Die Polizei fand einen Abschiedsbrief. Darin entschuldigte sich Enke laut seinem Arzt Valentin Markser bei seinen Angehörigen dafür, sie über sein Seelenleben in den vergangenen Tagen getäuscht zu haben, um den Plan zur Selbsttötung zu verwirklichen.

Seit 2003 war Enke bei Markser in Behandlung. Die Phasen der Depression seien immer mit latenten Selbstmordgedanken einhergegangen, sagte der Therapeut. Das Ausmaß seiner Krankheit habe Enke vor seiner Umgebung verborgen.
Tragische Familiengeschichte
"Ich wollte ihm helfen, das durchzustehen", sagte Enkes Witwe Teresa mit tränenerstickter Stimme auf einer Pressekonferenz. Aber ihr Mann wollte sich nicht stationär in einer Klinik behandeln zu lassen. Er habe Angst gehabt, dann seine Adoptivtochter Leila zu verlieren. Eine stationäre Behandlungen habe Enke noch am Tag seines Todes abgelehnt, berichtete Markser.

Der Fußballprofi und seine Ehefrau hatten vor drei Jahren ihre Tochter Lara im Alter von zwei Jahren verloren. Sie starb an einem angeborenen Herzfehler. Im Mai dieses Jahres adoptierten die Enkes ein kleines Mädchen. In den vergangenen Monaten litt der aus Jena in Thüringen stammende Enke an einer Darmerkrankung und hatte deshalb vier Länderspiele verpasst.

Zur Absage des Länderspiels gegen Chile sagte DFB-Präsident
Zwanziger: "Wir müssen auch einmal innehalten können." Manager Bierhoff brachte die Ratlosigkeit der Spieler nach dem Suizid zum Ausdruck. "Wir haben Robert Enke immer als sehr gefestigt, als sehr stabil kennengelernt." Keiner habe vermutet, dass er an Depressionen leidet.

"Suizidale Äußerungen ernst nehmen"
Bundeskanzlerin Merkel kondolierte der Witwe. In einem persönlichen Brief habe sie ihr Mitgefühl ausgedrückt, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Auch der ehrenamtliche Sportbeauftragte der EKD und Aufsichtsratsvorsitzende von Hannover 96, Valentin Schmidt, reagierte "völlig fassungslos" auf Enkes Tod.

Der Psychiater Andreas Spengler äußerte die Besorgnis, dass der Suizid des populären Spielers Nachahmungseffekte auslösen könnte. "Wir müssen depressiven und verzweifelten jungen Männern gerade jetzt nahe sein und suizidale Äußerungen ernst nehmen", sagte der Professor dem epd in Hannover. Der verstorbene Enke sei ein Sympathieträger gewesen. Sein Suizid habe eine hohe öffentliche Resonanz. Dies könne auf bestimmte Menschen suggestiv wirken.