Über den Umgang der Kirchen mit Selbsttötung

Christentum und Suizid

Tausende trauern um Fußballnationaltorwart Robert Enke.

 (DR)

Am Mittwochabend hält die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, in Hannovers Marktkirche eine Trauerandacht für den verstorbenen Fußballprofi, der nach Erkenntnissen der Polizei Suizid beging. Dass es eine kirchliche Feier für einen Menschen gibt, der sich das Leben genommen hat, ist geschichtlich betrachtet nicht selbstverständlich. Unter dem Einfluss von Kirchenvater Augustinus (354-430) galt der Freitod als Sünde, als eine Handlung, die Christen verwehrt ist. Das Gebot «Du sollst nicht töten» gelte auch im Blick auf die eigene Person, befand der Theologe. Da der Gründer der Kirche, Jesus Christus, leiden musste, dürften sich seine Nachfolger dem Leiden nicht entziehen, argumentierte Augustinus.

Diese Ansicht führte dazu, dass die Kirche sogenannten Selbstmördern über Jahrhunderte ein kirchliches Begräbnis verwehrte. Selbst auf dem kirchlichen Friedhof war kein Platz für sie, sie wurden in ungeweihter Erde verscharrt. «Eselsbegräbnis» wurde diese Bestattungsform manchmal genannt. Diese Bezeichnung wurzelt im Alten Testament, wo es beim Propheten Jeremias (Kapitel 22, Vers 19) heißt:
«Er (der Verfluchte, Jojakim, König von Juda) soll wie ein Esel begraben werden, geschleift und hinausgeworfen vor die Tore Jerusalems.»

Die Protestanten übernahmen diese Einstellung, die mancherorts bis ins 20. Jahrhundert hinein vorherrschend war. Seither setzte sich in Theologie und Kirchen allerdings die Ansicht durch, dass die Gnade und Barmherzigkeit Gottes mit den Menschen stärker ist als das schuldhafte Verhalten von Menschen.

Die christliche Ethik hält zwar bis heute die Selbsttötung nicht für eine christliche Handlung. Doch ist inzwischen die Überzeugung verbreitet, dass sich ein Christ dadurch nicht um sein Seelenheil bringt. Im Katechismus der katholischen Kirche wird der Freitod als «schwere Verfehlung gegen die rechte Eigenliebe» bewertet. Einige Philosophen vertreten dagegen die Ansicht, der Mensch habe die Freiheit zur Selbsttötung.

Insgesamt hat die Zahl der Selbsttötungen in Deutschland in den vergangenen Jahren ständig abgenommen. 2007 waren es Statistiken zufolge rund 9.400 und damit nur halb so viele wie 1980. Andererseits starben 2007 mehr Menschen durch die eigene Hand als durch Verkehrsunfälle (4.949) und Tötungsdelikte (2.347) zusammen.