Vatikan legt historisch-kritische Ausgabe zu Galileo-Prozess vor

Der Fall ist abgeschlossen

Zum Jahr der Astronomie hat der Vatikan eine historisch-kritische Ausgabe der Prozessakten zum Fall Galileo Galilei vorgelegt. Diese enthält einige neue Dokumente und leuchtet das historische Umfeld weiter aus, führt aber nicht zu einer Neubewertung des Falles an sich.

 (DR)

Betreut hat das 550 Seiten umfassende Werk der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs, Bischof Sergio Pagano, wie die Vatikanzeitung "Osservatore Romano" berichtet. Pagano war auch für die bislang jüngste Edition der Prozessakten von 1984 zuständig, die er nun überarbeitet hat. Zuvor mussten Forscher auf die Gesamtausgabe von Galileis Werken von Antonio Favaro von 1909 zurückgreifen.

Gegenüber früheren Gesamtausgaben sind laut Pagano vor allem Erkenntnisse über die am Prozess beteiligten Personen gewachsen, einschließlich vieler Inquisitoren. Diese seien in den umfangreichen Anmerkungsteil mit rund 1.300 Fußnoten eingegangen. Ferner seien viele Dokumente im Original abgedruckt. Die neue Ausgabe umfasst auch etwa 20 neue Dokumente aus dem Archiv des Heiligen Uffiziums, die jüngste Forschungen zutage gebracht hätten. Die Vorgängerbehörde der Glaubenskongregation war für den Prozess verantwortlich.

Damit berücksichtigt die Ausgabe nach den Worten Paganos die zahlreichen Forschungsbeiträge, die nach der offiziellen Öffnung der Vatikan-Archive entstanden sind. Der Dokumentensammlung geht eine umfangreiche Einleitung voraus, die den Fall historisch einordnet. Sie reicht von den ersten Vorwürfen des Dominikaners Tommaso Caccini 1616 bis zum Jahr 1741. Damals erlaubte Papst Benedikt XIV. die Errichtung eines Grabmals für Galilei in der Basilika Santa Croce in Florenz.

Neue Ära der Wissenschaft
Der italienische Naturforscher Galileo Galilei (1564-1642) richtete vor 400 Jahren erstmals ein Teleskop zum Himmel und eröffnete damit eine neue Ära der Wissenschaft. Wegen seiner Verteidigung des heliozentrischen Weltbildes als Tatsache und nicht als wissenschaftliche Hypothese verurteilte ihn die Päpstliche Inquisition 1632 zu Kerkerhaft, die in Hausarrest umgewandelt wurde.  1992 würdigte Papst Johannes Paul II. ausdrücklich die wissenschaftlichen Leistungen Galileis. Zuvor hatte er eine eigene Forschungskommission eingesetzt, um den Fall aufzuarbeiten.

Der Fall selbst ist aus Sicht des Jesuiten-Astronomen George Coyne abgeschlossen. Die katholische Kirche habe mit ihrer vor drei Jahrzehnten unternommenen historischen Aufarbeitung des Prozesses gegen den Wissenschaftler "ihren Teil getan", sagte Coyne in Radio Vatikan. Der frühere Leiter der päpstlichen Sternwarte äußerte sich am Rand eines internationalen Kongresses zur "Galileo-Affäre" in Florenz. Die Tagung versteht sich als Beitrag zum UN-Jahr der Astronomie, das an Galileis Fernrohr-Beobachtungen vor 400 Jahren erinnert.

Die Kirchenspitze habe längst ihre "Irrtümer" eingeräumt, durch die Galilei seinerzeit sehr gelitten habe, sagte Coyne. Zugleich wies der Jesuit die Rede von Schuld zurück. "Niemand verstand die Naturwissenschaft, weil sie eben erst im Entstehen war." Ebenfalls sei die Bibel teilweise missverstanden worden. So habe Kardinal Robert Bellarmin (1542-1621), eine der zentralen Figuren im Inquisitionsverfahren gegen Galilei, Schriftzitate unzutreffend als naturwissenschaftliche Aussagen gedeutet, sagte Coyne.