Gespräch der Konfessionen tritt beim Kirchentag auf der Stelle

Der ökumenische Patient

"Die Ökumene ist ein sehr alter Patient", meint Eckhard Nagel - man wisse nicht genau, ob dieser auf der Intensivstation sei oder schon in der Reha. Der Präsident des 2. Ökumenischen Kirchentages 2010 muss es wissen, er ist im Hauptberuf Medizinprofessor. Die evangelisch-katholischen Beziehungen gelten seit einigen Jahren als belastet, wahlweise ist von Eiszeit oder Überhitzungen die Rede. Doch dass ein Jahr vor dem großen Christentreffen in München klinische Vergleiche bemüht werden, ist neu.

Autor/in:
Bernd Buchner
 (DR)

Es mag bezeichnend sein, dass Nagels Bemerkung beim Evangelischen Kirchentag in Bremen fällt, der am Sonntag endete. Der konfessionelle Dialog spielte dort keine wesentliche Rolle. Erstmals seit langem fehlten große Podiumsveranstaltungen zu den großen theologischen Streitfragen. "Natürlich ist es so", erläuterte Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär, "dass wir viele ökumenische Themen und Namen auf München konzentrieren." Etwas schnoddrig fügte sie hinzu, es gebe spannendere Fragen als etwa das gemeinsame Abendmahl.

Doch gerade dieses sorgte in der Hansestadt für Kontroversen. Benediktinerpater und Buchautor Anselm Grün drückte die Erwartung einer eucharistischen Gemeinschaft beim ÖKT noch milde aus: "Wir hoffen, dass es dann so sein wird." Der evangelische Religionspädagoge Fulbert Steffensky, der einst ebenfalls zu Grüns Orden gehörte, schlug andere Töne an, schwadronierte von den "Fußkranken in den Kirchenleitungen", auf die man nicht warten solle. Und der Wittenberger Pfarrer Friedrich Schorlemmer kündigte flugs an, er werde nicht nach München kommen, wenn es dort nicht Orte eucharistischer Gastbereitschaft gebe.

"Bescheuerte" Boykottdrohung
Die Reaktion der ÖKT-Veranstalter ließ nicht lange auf sich warten. Nagel nannte Schorlemmers Boykottdrohung "bescheuert". Und sein katholischer Kollege an der Kirchentagsspitze, Hans Joachim Meyer, sagte über den Geistlichen aus der Lutherstadt, er sei zwar ein streitbarer Geist und mutiger Mann, schieße aber gelegentlich über das Ziel hinaus. Das Thema Abendmahl setzt Emotionen frei - nicht zuletzt auch wegen der kirchenrechtlich fragwürdigen Vorkommnisse am Rande des 1. ÖKT 2003 in Berlin. Sollte sich derlei in München wiederholen, drohen weitere Belastungen.

Dabei hatte das Bremer Treffen aus ökumenischer Sicht gar nicht so mau begonnen. Als der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode beim Eröffnungsgottesdienst das Motto "Empfindsamkeit statt Empfindlichkeit" ausrief, erntete er freundlichen Beifall. Die Kirchentagsleitung wies Vorwürfe zurück, dem konfessionellen Dialog zu wenig Raum gegeben zu haben. Immerhin habe es 30 ökumenische Termine gegeben - was aber bei 2.500 Veranstaltungen immer noch wenig ist, zumal der Begriff "Ökumene" im Protestantismus weit über den evangelisch-katholischen Dialog hinausgeht.

Unmut bei den Ostkirchen
Auch aus den Ostkirchen wurde Unmut laut: So fehlte beim ökumenischen Himmelfahrtsgottesdienst auf dem Bremer Marktplatz, der als "Spurensuche" ausdrücklich auch für Orthodoxe angekündigt war, einer ihrer Geistlichen auf der Bühne. Der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos war außer zu Empfängen zu keiner regulären Kirchentagsveranstaltung eingeladen. Der koptische Bischof Anba Damian nahm immerhin an einem interreligiösen Gebet teil. Beim ÖKT soll der orthodoxe Beitrag nach Veranstalterangaben wesentlich größer ausfallen.

Die Bemerkung Schorlemmers fiel übrigens bei einer Veranstaltung in Bremen-Vegesack, eine halbe Zugstunde vom Zentrum entfernt - die Ökumene ganz weit weg. Auch der Magdeburger Bischof Gerhard Feige nahm den Weg auf sich. Moderator Fabian Vogt sprach freundlich von einem "Außenposten", während einer der beteiligten Musiker Klartext redete: "Wir hoffen nicht, dass der Standort hier den inneren Ort der Ökumene in der evangelischen Kirche beschreibt." Der Münchner ÖKT steht unter dem Motto "Damit ihr Hoffnung habt" - das gilt hoffentlich auch für alte Patienten.