US-Grundsatzurteil zu Abtreibung "Roe gegen Wade"

Oberstes US-Gericht kippt liberales Abtreibungsrecht / © Steve Helber/AP (dpa)
Oberstes US-Gericht kippt liberales Abtreibungsrecht / © Steve Helber/AP ( dpa )

Im Grundsatzurteil "Roe gegen Wade" (Roe versus Wade) entschied der Oberste Gerichtshof der USA am 22. Januar 1973, dass staatliche Gesetze, die Abtreibungen verbieten, gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten verstoßen. Seither sind in den meisten US-Bundesstaaten Abtreibungen nahezu uneingeschränkt möglich.

Die Bezeichnung geht auf den zum Schutz der Klägerin gewählten Alias-Namen "Jane Roe" zurück, in Anlehnung an den in den USA oft für nicht identifizierte Personen verwendeten Platzhalternamen "John Doe". Beklagter für den Staat Texas war der damalige Bezirksstaatsanwalt des Dallas County, Henry Wade.

Geklagt hatte die damals 22-jährige Texanerin Norma McCorvey, die ihre ersten beiden Kinder wegen ihrer schwierigen sozialen Lage zur Adoption freigegeben hatte. Eine erneute Schwangerschaft abzubrechen, wäre ihr laut Gesetz des Bundesstaates Texas nur im Fall einer eigenen gesundheitlichen Gefährdung gestattet gewesen.

Ihre Anwältinnen sahen in dieser Beschränkung eine Verletzung des Rechts auf Privatsphäre nach dem 14. Verfassungszusatz und initiierten eine Klage beim Bundesbezirksgericht für Nord-Texas. Das Gericht erklärte zwar, das Gesetz verstoße gegen die Bundesverfassung und müsse überarbeitet werden, lehnte jedoch seine Aufhebung ab. Der Oberste Gerichtshof nahm 1971 die Berufung an. Unterdessen hatte McCorvey ihr drittes Kind geboren und ebenfalls zur Adoption freigegeben.

Laut "Roe vs. Wade" darf eine Frau die Schwangerschaft bis zum Zeitpunkt der Lebensfähigkeit des Fötus abbrechen, die damals mit der 28., heute etwa mit der 24. Schwangerschaftswoche angesetzt wird.

Nach dem dritten Schwangerschaftsmonat darf der Staat das Abtreibungsverfahren regulieren, aber nur soweit zum Schutz der Gesundheit der Frau nötig.

"Roe vs. Wade" zählt zu den gesellschaftlich umstrittensten Entscheidungen in der Geschichte des Supreme Court, der damals unter Führung des Obersten Richters Warren E. Burger von einer liberalen Richtermehrheit geprägt war. Das Gericht bestätigte 1992 im Fall "Planned Parenthood of Southeastern Pennsylvania v. Robert P. Casey" die Entscheidung im Grundsatz. Es erklärte jedoch staatliche Vorschriften, die keine unzumutbare Belastung für die Frau darstellten, als zulässig; so etwa eine obligatorische Beratung und eine 24-stündige Bedenkzeit vor dem Eingriff.

Eine Rücknahme der Entscheidung "Roe vs. Wade" gehört zu den prominenten Forderungen der Lebensrechtsbewegung. Seit 1974 findet zum Jahrestag des Urteils, dem 22. Januar, in Washington und andernorts ein "March for Life" statt. (kna)