Synodaler Prozess: Österreich-Bericht veröffentlicht

Erzbischof Franz Lackner / © Henning Klingen (KNA)
Erzbischof Franz Lackner / © Henning Klingen ( KNA )

Ein vielfältiges und vielschichtiges Bild von Kirche und den zentralen Herausforderungen zeichnet die "Nationale Synthese zum synodalen Prozess", die von der Österreichischen Bischofskonferenz Mitte August nach Rom weitergeleitet wurde. Gemeinsam mit Erzbischof Franz Lackner, dem Vorsitzenden der österreichischen Bischofskonferenz, haben die Wiener Pastoraltheologin Regina Polak und die Rektorin der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule (KPH) in Innsbruck, Petra Steinmair-Pösel, am Mittwoch in Wien den Österreich-Bericht nun im Rahmen einer Pressekonferenz der Öffentlichkeit vorgestellt. Zentral sind u.a. die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Partizipation in der Kirche.

Es wird zudem differenziert zwischen Themen und Anliegen, die in Österreich angegangen bzw. umgesetzt werden können, und solchen, für die die Weltkirche zuständig ist. In der "Nationalen Synthese" sind die Ergebnisse der synodalen Beratungen in den österreichischen Diözesen und der Vorsynodalen Beratung der Bischofskonferenz in Mariazell gebündelt und thematisch geordnet.

Erarbeitet wurde die Synthese von einem Autorenteam, dem kein Bischof angehörte. Die Bischöfe haben das Dokument, das die authentische Stimme der Katholikinnen und Katholiken in Österreich wiedergeben will, lediglich mit einem Begleitwort ergänzt, das von Erzbischof Lackner und Bischof Josef Marketz gezeichnet ist. Wiewohl keine genauen Zahlen vorliegen, dürften sich insgesamt rund 50.000 Menschen österreichweit am Synodalen Prozess beteiligt haben, wie es hieß.

"Als Kirche in einer doppelten Verantwortung"

Erzbischof Lackner zeigte sich bei der Präsentation dankbar für das vielfältige Engagement so vieler, die zum Entstehen des Synodalen Berichts beigetragen haben. Der Prozess habe deutlich gemacht: "Als Kirche stehen wir in einer doppelten Verantwortung. Einerseits für das Reich Gottes hier vor Ort, wie es lebt, leidet und von Sehnsüchten geprägt ist. Andererseits aber auch in der Verantwortung empfänglich, andockfähig, ergänzungsfähig zu bleiben mit Blick auf die Universalkirche." Die große Herausforderung bestehe darin, beidem gerecht zu werden. Konkret bedeutet das auch, nicht der Gefahr von 100-Prozent-Antworten zu verfallen. Papst Franziskus habe mehrmals davor eindringlich gewarnt.

Lackner weiter: "Wenn wir heute den Österreich-Bericht in den Händen halten, ist uns bewusst, zwar viele Stimmen gehört zu haben, nicht jedoch repräsentativ alle." Trotz intensiver Arbeit und ehrlichen Bemühens seien einige Gruppen fast gar nicht gehört worden. "Wir vernehmen dies nicht nur als Mangel, sondern als Aufgabe, den synodalen Prozess weiterzuführen und die synodale Verständigung generell als Arbeitsweise der Kirche in Österreich zu etablieren", so der Vorsitzende der Bischofskonferenz.

Gezielte Förderung von Frauen

Petra Steinmair-Pösel, sie war maßgeblich an der Endredaktion des Textes beteiligt, skizzierte die inhaltlichen Eckpunkte des Österreich-Berichts. Anliegen aus der synodalen Beratung, die man vor Ort aufgreifen und umsetzen kann, sollten sofort umgesetzt werden, so der Wunsch der Gläubigen, die sich am Synodalen Prozess beteiligt haben. Dazu gehörten Themen wie Geschlechtergerechtigkeit, etwa durch gezielte Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungspositionen, oder der Ausbau von Partizipationsmöglichkeiten in Richtung Transparenz von Entscheidungsprozessen und Mitbestimmung auf allen Ebenen.

Ein weiterer Bereich sei die vermehrte Mitwirkung von Laien und Laiinnen in der Liturgie, beispielsweise durch Predigt- und Tauferlaubnis für Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten und die Erlaubnis für Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger, die Krankensalbung zu spenden.

Weitere zentrale Anliegen seien das Bemühen um eine verständlichere Sprache in Liturgie und Verkündigung sowie ein pastoraler Umgang mit Menschen, die in verschiedener Weise vom kirchlichen Leben ausgeschlossen sind; ebenso eine weiterhin transparente Aufarbeitung von Missbrauch und die Förderung von Glaubensbildung.

Weihe von Frauen und Zölibat

Bei Anliegen, die nicht vor Ort umgesetzt werden können, wünschten sich die Gläubigen eine Thematisierung auf entsprechender kirchlicher Ebene. Dazu zählten gemäß den Synthesen Themen wie der Zugang von Frauen zur Weihe und den damit verbundenen Ämtern, der Zölibat als Zulassungsbedingung zum Weiheamt oder die Adaptierung von Lehrmeinungen; etwa ein Überdenken mancher kirchlicher Positionen im Bereich der Sexualmoral.

Synodalität sei kein Selbstzweck, sondern dienen dazu, "dass die Kirche ihren Auftrag, ihre Mission, im Sinne Jesu bestmöglich leben kann", so Steinmair-Pösel. Kirchliche Leitlinien und Strukturen sollten deshalb auf diesen Auftrag hin geprüft und weiterentwickelt werden, "sodass sie die Kirche dabei unterstützen, aktiv auf die Menschen zuzugehen, allen die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahrbar zu machen und eine klare Option für die Armen und Benachteiligten zu leben".

Ein weiteres zentrales Ergebnis: Das Engagement der Kirche im karitativen und gesellschaftspolitischen Bereich sei essenziell, unverzichtbar und werde geschätzt. Dazu zählten Themen wie Armutsbekämpfung, Einsatz für Flüchtlinge, Begleitung von alten, kranken, notleidenden Menschen, Einsatz für Obdachlose, Engagement für globale Solidarität, Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung. Diese soziale Dimension im Engagement der Kirche und der Gläubigen solle weiter gestärkt werden.

Deutlich werde bei den bisherigen Beiträgen zum Synodalen Prozess auch, dass Gemeinschaft in erster Linie in den Pfarrgemeinden erlebt werde. Diese Gemeinschaften gelte es entsprechend zu gestalten. Ein weiteres Thema bzw. Anliegen: Partizipation müsse in allen Bereichen und auf allen Ebenen gefördert werden. Von mehreren Synthesen sei zudem thematisiert worden, dass diese Partizipation auf Hindernisse stoße. Steinmair-Pösel: "Manche beobachten geschlossene Gemeinschaften, zu denen sozial Benachteiligte, Migrant:innen, Familien, Kinder und Jugendliche, wiederverheiratet Geschiedene und Mitglieder der LGBTQIA+-Community keinen Zugang finden, bzw. auch umgekehrt, dass es für Mitglieder der Kirche schwierig ist, einen Zugang zu diesen Gruppen zu finden."

Fast durchgängig thematisiert werde in den Eingaben der Diözesen die Partizipation von Frauen: "Diese tragen das kirchliche Ehrenamt, erleben sich aber oft nicht entsprechend gehört und wertgeschätzt", so die Theologin. Bemerkenswert sei, "dass die Gläubigen hier durchaus zwischen der Weihe und der Ausübung von Leitungsfunktionen unterscheiden: Sehr viele Äußerungen sprechen für die gezielte Förderung von Frauen in kirchlichen Leitungsfunktionen im Sinne von mehr Geschlechtergerechtigkeit, nicht automatisch wird damit auch die Forderung nach der Weihe von Frauen unterstützt, auch wenn sich viele diese zumindest in Form des Diakonats vorstellen können oder wünschen."

"Innerkirchliche Themen brennen auf der Seele"

Prof. Regina Polak, die dem nationalen Synodenteam angehört, betonte in ihren Ausführungen, dass die bisherigen Ergebnisse des Synodalen Prozesses in Österreich eine starke Binnenorientierung der österreichischen Kirche zeigten, die einer Horizonterweiterung über die Kirchengrenzen hinaus bedürfe, um die kirchliche Sendung im Kontext multipler Krisen zu erfüllen.

Es hätten beim bisherigen Synodalen Prozess Themen dominiert, die die Katholische Kirche in Österreich bereits seit Jahrzehnten beschäftigen und zu denen es bereits umfassende Positionspapiere gibt. Dies betreffe vor allem die Frauenfrage, die Partizipation der Laien, transparente Bischofsernennungen, einen klerikalen Führungsstil, Jugend oder Sexualethik. Neue Themen seien insbesondere der mehrfach beobachtete und beklagte Relevanzverlust in der Gesellschaft sowie die Frage des Umgangs der Kirche mit gleichgeschlechtlichen Paaren bzw. diversen sexuellen Identitäten gewesen.

Polak: "Es sind vor allem die innerkirchlichen Themen, die einer Mehrheit der beteiligten Gläubigen auf der Seele brennen - vor allem den Hochengagierten." Zwar herrsche diesbezüglich keine völlige Einheit, aber die erstaunlich homogenen nationalen Synthesen zeigten deutlich, dass die Beteiligten sich diesbezügliche Reformen erwarteten.

Zugleich scheine es, dass die innerkirchlichen Probleme und der diesbezügliche Reformstau die Kirche in Österreich daran hindern würden, sich intensiv mit ihrer Sendung in der taumelnden Welt des 21. Jahrhunderts zu befassen. Mehrheitlich falle eine starke Binnenorientierung und ein gewisser Mangel an diakonalen und gesellschaftspolitischen Beiträgen auf. Auch Themen wie Ökumene oder der interreligiöse Dialog seien nur in einzelnen diözesanen Synthesen thematisiert worden.

In der Mehrheit der Diözesen hätten sich die Gläubigen sehr aktiv am Synodalen Prozess beteiligt, infolge enttäuschender Vorerfahrungen mit ähnlichen Prozessen habe sich im Kernsegment aber auch Zurückhaltung, Skepsis und Misstrauen gefunden. U.a. konservative Gruppierungen und Bewegungen hätten sich überhaupt vom Prozess distanziert. Schwierigkeiten habe es auch bei der Teilhabe von jungen Menschen, anderssprachigen Gemeinden sowie externen Gesprächspartnern bzw. "Kirchenfernen" und sozialen Randgruppen gegeben.

Für Polak folgert daraus: "Der Synodale Prozess sollte weitergeführt werden und bedarf dafür einer nationalen und diözesanen Institutionalisierung." Es brauche eine vertiefte Einübung der synodalen Methodik als Stil und Haltung des Zuhörens. Überdies sollten jene Personen oder Gruppen, die bisher nicht beteiligt waren, aktiv einbezogen werden. "Wir müssen dringend alle Gruppen an einen Tisch bringen", so der Appell der Theologin.

Jene Anliegen und Argumente, die nur weltkirchlich entschieden werden können, sollten die Bischöfe hingegen "beherzt" auf den nun folgenden Bischofssynoden einbringen und verständlich machen - "denn sie sind auch Fürsprecher ihrer Gläubigen". Die Bischöfe müssten diese Anliegen nicht teilen, betonte Polak, "aber sie sollten schwierige Themen auch nicht in vorauseilendem Gehorsam vorschnell unter den Tisch fallen lassen".

Synodale Beratungen auf Europa-Ebene

Erzbischof Lackner bekräftigte, dass man die auf dem Tisch liegenden Ergebnisse nun in den weiteren Synodalen Prozess einbringen wird. Nach der nationalen Phase wird der Prozess nun auf kontinentaler Ebene fortgesetzt. Das römische Generalsekretariat der Bischofssynode erstellt aus allen Einsendungen ein Arbeitsdokument, das auf sieben kontinentalen Versammlungen beraten wird. An ihnen werden nicht nur Bischöfe, sondern auch drei Laiinnen bzw. Laien pro Nation teilnehmen. - Aus Österreich sind dies neben Erzbischof Lackner Prof. Polak und Rektorin Steinmair-Pösel sowie Markus Welte, der zuständige Referent für den Synodalen Prozess in der Erzdiözese Salzburg.

Die kontinentale Versammlung für Europa wird im Februar 2023 in Prag stattfinden. "Wir dürfen gespannt sein", so Lackner, "wohin uns der Geist Gottes durch diesen gemeinsamen Weg auf allen Kontinenten weiter führen wird". Er hoffe jedenfalls auf eine "große Bewegung mit Papst Franzis an der Spitze". Das unterscheide wohl auch diesen Reformprozess von früheren, dass er vom Papst persönlich initiiert worden sei.

Der Erzbischof bekräftigte zudem auf Nachfrage, dass der Synodale Prozess auch in Österreich weitergehen werde. In welcher institutionalisierten Form dies geschehen wird, sei aber noch offen. (kap, 21.09.2022)