Studie: Viele Krankenhauseinweisungen vor dem Sterben vermeidbar

Hand einer Pflegerin liegt auf dem Handrücken eines Patienten auf einer Intensivstation / © Harald Oppitz (KNA)
Hand einer Pflegerin liegt auf dem Handrücken eines Patienten auf einer Intensivstation / © Harald Oppitz ( KNA )

Laut einer Studie der Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) wäre mehr als jede dritte Krankenhauseinweisung von Pflegeheimbewohnern in den letzten zwölf Wochen vor dem Sterben "potenziell vermeidbar". Das geht aus dem am Dienstag in Berlin vorgestellten Pflegereport 2022 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) hervor. So seien etwa Herzinsuffizienz, Dehydration oder Harnwegsinfektionen auch im Pflegeheim behandelbar, sagte Antje Schwinger, Mitherausgeberin des Reports.

Laut Report lebte rund jeder dritte innerhalb eines Jahres verstorbene AOK-Versicherte in einem Pflegeheim. Deutlich mehr als die Hälfte davon wurde demnach in den letzten zwölf Wochen vor dem Tod mindestens einmal in ein Krankenhaus verlegt. Eine Krankenhausverlegung berge für Patienten erhebliche Risiken wie kognitive Verschlechterungen, mögliche Infektionen oder Stürze, gab Schwinger zu bedenken.

Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, Carola Reimann, forderte eine stärkere Einbeziehung der Palliativ- und Hospizdienste in den Langzeitpflegeeinrichtungen sowie eine bessere Zusammenarbeit aller Verantwortlichen. "Palliativ-Kompetenzen von Ärzten und Pflegenden müssen weiterentwickelt, die interprofessionelle Zusammenarbeit intensiviert sowie ausreichend personelle Ressourcen bereitgestellt werden."

Bei einer Befragung von 550 Pflegefach- und Assistenzpersonen für die Studie beklagten viele, dass in der Praxis häufig nicht dem Wunsch der Patienten entsprochen werde. Demnach erlebte jeder Fünfte "monatlich oder häufiger, dass Bewohnende am Lebensende in ein Krankenhaus eingewiesen werden, obwohl dies aus Sicht der Befragten nicht im besten Interesse der Versterbenden ist". Zugleich beklagten zwei Drittel der Befragten Personalengpässe. Ferner gab die Mehrheit an, dass sich das Behandlungsteam nach ihrer Beobachtung auf Druck von Angehörigen für belastende oder lebensverlängernde Maßnahmen entschieden habe, obwohl die Patientenverfügung ein anderes Vorgehen nahegelegt habe.

Für den Direktor des Instituts für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Essen, Jürgen in der Schmitten, "funktionieren Patientenverfügungen im klinischen Alltag wenig". Statt Formulare zu Spezialfällen zu verfassen, seien individuelle Gespräche und Beratungen nötig. Laut Reimann sollten sie sich besonders auf das "Wertegerüst und die Haltung der Person" beziehen. In der Schmitten empfahl das "Advance Care Planning (ACP)". Allerdings gebe es noch Schwachstellen etwa aufgrund fehlender Standards für die Qualifizierung und bürokratischer Vorgaben.

Die Sozialvorständin der Diakonie, Maria Loheide, betonte, dass die Kosten für Begleitung und Betreuung der Sterbenden und ihrer Angehörigen nicht über den Eigenanteil auf die Heimbewohnerinnen abgewälzt werden dürften. Zugleich begrüßte sie die neue Form der Beratung, auch die Möglichkeiten der palliativen Medizin und Pflege.

Der Vorsitzende des Kuratoriums Deutsche Altershilfe (KDA), Helmut Kneppe, forderte, die Sterbebegleitung der Individualität der Menschen stärker anzupassen. Er erwarte von Institutionen "mehr Respekt vor den Wünschen und dem Willen Sterbender - auch was etwa ungewünschte Krankenhauseinweisungen angeht".

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte: "Individuelle Versorgungspläne sind kein Ersatz für eine umfassende Hospiz- und Palliativbegleitung.". Weil zusätzliches Personal und praktische Unterstützung fehlten, würden viele der Bewohner am Ende des Lebens zwischen Heim und Klinik hin- und hergeschoben. Jede Pflegeeinrichtung brauche ihr eigenes hauptamtliches Hospizteam. (KNA, 05.07.2022)