Italiens Ex-Präsident Napolitano gestorben

"König Giorgio ist tot"

Italiens Ex-Präsident Giorgio Napolitano / © Maurizio Gambarini (dpa)
Italiens Ex-Präsident Giorgio Napolitano / © Maurizio Gambarini ( dpa )

Über den Spitznamen, den ihm seine Landsleute verpasst hatten, musste Giorgio Napolitano manchmal selbst noch schmunzeln. "Re Giorgio" ("König Giorgio") - nicht schlecht für einen, der viele Jahre seines Lebens Kommunist war. Die flapsig gemeinte Erhebung zum Monarchen war Beleg dafür, welch hohes Ansehen er als italienischer Präsident genoss. Napolitano blieb das 3166 Tage lang - so lange wie kein anderer. Am Freitagabend ist er mit 98 Jahren gestorben. Am Dienstag bekommt er ein Staatsbegräbnis, zu dem auch viel Prominenz aus dem Ausland erwartet wird.

Aus heutiger Sicht war Napolitano wie gemacht fürs höchste Amt seines Landes: "Gentiluomo" der alten Schule, Vermittler zwischen Parteien und ideologischen Welten, moralische Instanz, würdevoll im Auftreten, persönlich bescheiden. Kurzum: eine Ausnahmeerscheinung in der italienischen Politik - und das Gegenteil zum im Juni verstorbenen Rechtspopulisten Silvio Berlusconi, der neben Napolitano Ministerpräsident war, bevor es dann doch zuviel der Skandale wurden.

Dabei sah es anfangs überhaupt nicht nach Staatsoberhaupt aus. Mit 17 schloss sich der gebürtige Neapolitaner dem Widerstand gegen den faschistischen Diktator Benito Mussolini und die deutsche Besatzung an. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs trat der junge Mann aus gutbürgerlichen Verhältnissen in die Partito Comunista Italiano (PCI) ein. Dort ging es hoch bis ins Politbüro. Zehn Wahlperioden lang vertrat er seine Heimatstadt in der Abgeordnetenkammer.

Die PCI galt zur Zeit des Kalten Kriegs als wichtigste kommunistische Partei Westeuropas. Napolitano wurde zum Reformerflügel gerechnet, näher der Sozialdemokratie als dem Sowjetsozialismus. Mit Willy Brandt pflegte er gute Kontakte, der frühere US-Außenminister Henry Kissinger nannte ihn seinen "Lieblingskommunisten". Als es in Moskau mit der Sowjetunion zu Ende ging, war er einer der ersten, die sich für eine Umbenennung der Partei aussprachen.

Mit der neuen Partei der Demokratischen Linken (PDS) wurde er in den 1990er Jahren Parlamentspräsident und Innenminister einer Mitte-Links-Regierung. Zwischenzeitlich saß der überzeugte Europäer auch im Europaparlament. Wegen seiner Verdienste um die Republik wurde er zum Senator auf Lebenszeit ernannt, mit bereits 80 Jahren dann 2006 als erster Ex-Kommunist zum Präsidenten gewählt.

Normalerweise ist das wie in Deutschland eher ein Amt mit repräsentativen Aufgaben. Wenn es keine klaren Mehrheiten gibt, kommt es aber auf das Staatsoberhaupt an. In Regierungskrisen hatte Napolitano eine Schlüsselrolle - auch, als Italien in die Turbulenzen der internationalen Finanzkrise geriet. Ausländische Besucher setzten sich lieber mit ihm zusammen als mit Berlusconi. Als dieser 2011 nicht mehr tragbar war, setzte Napolitano eine Expertenregierung ein.

Nach sieben Jahren im Quirinalspalast - so heißt in Rom der Sitz des Präsidenten - wollte er sich aufs Altenteil zurückziehen. Das Büro war schon ausgeräumt. Weil sich die Parteien aber auch in fünf Wahlgängen nicht über die Nachfolge einigen konnten, erklärte er sich "aus Pflichtgefühl fürs Vaterland" zu einer Verlängerung bereit. Als erster Präsident bekam er eine zweite Amtszeit. Insgesamt hatte er es mit nicht weniger als fünf Ministerpräsidenten zu tun.

Nach anderthalb Jahren war es dem alten Herrn dann aber doch genug. In seiner TV-Ansprache zum Jahreswechsel 2014/15 kündigte Napolitano seinen Rücktritt an. Nachfolger wurde Sergio Mattarella, der mittlerweile ebenfalls in der zweiten Amtszeit ist und ihn an Dienstjahren bald überholen wird. Den Lebensabend verbrachte Napolitano zurückgezogen mit seiner Frau Clio, mit der er fast 65 Jahre lang verheiratet war und zwei Söhne hatte. Vor vier Monaten musste er in Rom ins Krankenhaus. Er kam nicht mehr nach Hause.