Hintergrund: Katholisches Arbeitsrecht in Deutschland vor Systemwechsel

Neben der Verwaltungsleiterin einer Kirchengemeinde liegt das kirchliche Arbeitsrecht / © Harald Oppitz (KNA)
Neben der Verwaltungsleiterin einer Kirchengemeinde liegt das kirchliche Arbeitsrecht / © Harald Oppitz ( KNA )

Die Regeln für die rund 790.000 Beschäftigten der katholischen Kirche und der Caritas in Deutschland sollen sich grundlegend ändern. Am Montag veröffentlichte die Deutsche Bischofskonferenz den Entwurf für eine neue "Grundordnung des kirchlichen Dienstes". Demnach soll die private Lebensgestaltung, "insbesondere Beziehungsleben und Intimsphäre" der Beschäftigten, keinen Anlass mehr für Kündigungen bieten, falls diese nicht im Einklang mit der kirchlichen Lehre stehen. 

Als einziger Kündigungsgrund bliebe damit in der neuen Ordnung "kirchenfeindliches Verhalten" erfasst. Das öffentliche Propagieren von Abtreibung oder Fremdenhass, das Verunglimpfen von katholischen Glaubensinhalten, Riten und Gebräuchen sowie die Werbung für andere Weltanschauungsgemeinschaften während der Arbeitszeit sollen Beschäftigten der Kirche weiterhin verboten bleiben. Ein Austritt aus der Kirche zöge auch nach der neuen Ordnung in der Regel eine Entlassung nach sich. Davon sollen aber Ausnahmen möglich sein.

Der Entwurf wurde den Angaben zufolge von einer Arbeitsgruppe unter Vorsitz des Kölner Kardinals Rainer Maria Woelki geschrieben. Die Beratungen sollen unter breiter Beteiligung von Gremien und Berufsgruppen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. 

Der Neufassung liegt ein Systemwechsel im Verständnis zentraler Begriffe des katholischen Arbeitsrechts zugrunde. Für den Schutz des kirchlichen Charakters einer Einrichtung sollen nun zuerst die Führungskräfte verantwortlich sein. Die katholische Identität eines Unternehmens soll durch Leitbilder, eine christliche Organisationskultur und durch die Vermittlung christlicher Werte gestaltet werden. Dieser Wechsel von einem personbezogenen zu einem institutionenorientierten Ansatz führt auch dazu, dass Loyalität erstmals in wechselseitigen Anforderungen von Mitarbeitenden und Dienstgebern zum Ausdruck kommt. 

Die deutschen Bischöfe werden laut Mitteilung erstmals in der zweiten Junihälfte über die neue Grundordnung beraten. Das Regelwerk war zuletzt 2016 modifiziert worden. Insbesondere wurden damals Kündigungsdrohungen gegen Beschäftigte wegen privater Lebensumstände abgeschwächt, allerdings nicht völlig gestrichen. Dies forderte zuletzt die Initiative #OutInChurch. Auch beim Reformprojekt Synodaler Weg war das katholische Arbeitsrecht ein wichtiges Thema. Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung stellten die Bischöfe im März eine Änderung noch für dieses Jahr in Aussicht. (kna)