Eckiger Tisch hält Papst-Entschuldigung bei Indigenen für wichtigen Schritt

Matthias Katsch ist Sprecher der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Katsch ist Sprecher der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Der Sprecher der Betroffenenorganisation Eckiger Tisch, Matthias Katsch, sieht in der Entschuldigung des Papstes bei Indigenen in Kanada einen ersten wichtigen Schritt. "Es ist eine beeindruckend klare Entschuldigung, persönlich von Angesicht zu Angesicht vorgetragen", sagte Katsch am 26. Juli dem Sender "NDR Info". Der persönliche Besuch des Papstes sei für die Betroffenen sehr wichtig. Zur Übernahme von Verantwortung gehöre aber auch, Aufklärung und Aufarbeitung der Verbrechen weiter voranzubringen.

Papst Franziskus hatte seine Kanada-Reise am 25. Juli mit einer Vergebungsbitte gegenüber den Indigenen dort begonnen. Dabei bat er um Entschuldigung für das Unrecht der staatlich errichteten und von Kirchen betriebenen Internate, in denen Kinder indigener Völker an die Kultur der europäischen Einwanderer angepasst werden sollten. Viele der Kinder waren an den Folgen von Vernachlässigung, Misshandlung, Missbrauch und Krankheiten gestorben.

Fehlendes Verständis für systemische Verantwortung

Katsch kritisierte "eine Tendenz zur Relativierung" in der Papstrede. Franziskus erwähne richtigerweise die Verantwortung des Staates in Kanada für das System der Umerziehungseinrichtungen. Mit Blick auf die Kirche entschuldige er sich aber nur für Gewalt, die von "Mitgliedern der Kirche" und nicht von "der Kirche" verübt worden sei. "Hier fehlt ein Verständnis von der systemischen Verantwortung."

Die Umerziehungseinrichtungen seien zwar nicht von der Kirche erfunden worden, erklärte Katsch. Die Kirchen seien praktisch Dienstleister gewesen, die die Heime im Auftrag des Staates betrieben hätten. "Aber die extreme Gewalt, die dort von Priestern und Nonnen verübt wurde, das ist etwas, was die katholische Kirche sich zurechnen lassen muss."

Mit Blick auf die weitere Aufarbeitung hält es Katsch für wichtig, den Betroffenen Zugang zu den Unterlagen zu verschaffen, die noch erhalten sind. "Sie wollen wissen, wer wo wann was getan hat." Auch müsse die Verantwortung der kirchlichen Vorgesetzten und der Ordensgemeinschaften herausgearbeitet werden. Und es stelle sich die Frage nach einer angemessenen Entschädigung.

"Gesamtproblem der Kirche"

Die Entschuldigung des Papstes ist laut Katsch auch deshalb ein wichtiger Schritt, weil sie "noch einmal hervorhebt, dass es nicht um Versagen einzelner in einzelnen Ländern geht, sondern dass es ein Gesamtproblem der katholischen Kirche ist." Auch in Deutschland fehle bis heute eine Entschuldigung für Verbrechen, die nach dem Zweiten Weltkrieg an Kindern in kirchlichen Heimeinrichtungen verübt worden seien.

(Quelle: kna, 27.07.2022)