Deutschland und der Islam

Islam in Deutschland / © Boris Roessler (dpa)
Islam in Deutschland / © Boris Roessler ( dpa )

Gehört der Islam zu Deutschland? Seit mehreren Jahren gibt es kontroverse Diskussionen über diese Frage. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) dokumentiert einige Etappen:

2006: Auf Initiative von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) tritt am 27. September in Berlin zum ersten Mal die Islamkonferenz zusammen. Ziel ist eine bessere Integration von rund vier Millionen Muslimen in Deutschland. Schäuble sagt zum Auftakt: "Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas, er ist Teil unserer Gegenwart und Teil unserer Zukunft."

2010: Bundespräsident Christian Wulff sagt in einer Rede zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober in Bremen, dass Christentum und Judentum "zweifelsfrei" zu Deutschland gehörten. "Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland." An diesem Satz entzündet sich in der Folgezeit eine lange Debatte; er ist auch heute noch häufig Referenzpunkt in der Diskussion zu dem Thema.

2010: Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, sagt Mitte Oktober der "Welt am Sonntag" auf die Frage, wie er den Satz von Wulff finde: "Dahinter steckt eine Wahrheit. Wir haben etwa vier Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland. Ich würde den Satz von Bundespräsident Wulff allerdings ergänzen: Ja, die Muslime wohnen bei uns und gehören zu uns. Gleichwohl sind sie vielen von uns oft fremd und ihre Integration steht in vielem noch aus, auch ihre Vertrautheit mit der jüdisch-christlichen Tradition und deren Werten." Aber wenn man den Satz "so interpretiert, als seien die drei Religionen in gleicher Weise Wurzeln unserer Gesellschaft, dann stimmt das historisch nicht".

2012: Bundespräsident Joachim Gauck sagt der "Zeit", den Satz seines Amtsvorgängers Wulff, wonach der Islam zu Deutschland gehört, teile er in seiner Intention. Ihm läge allerdings eine andere Formulierung näher: "Ich hätte einfach gesagt, die Muslime, die hier leben, gehören zu Deutschland." Er halte "Ein-Satz-Formulierungen über Zugehörigkeit" allerdings auch für problematisch. Er könne die verstehen, die fragten: "Wo hat denn der Islam dieses Europa geprägt, hat er die Aufklärung erlebt, gar eine Reformation?"

2015: Bundestagspräsident Norbert Lammert erklärt Ende Februar in der "Welt": "Der Islam gehört inzwischen zu den Religionen, die in Deutschland erhebliche Verbreitung finden." Er ergänzt: "Und ich würde mir wünschen, man könnte von dieser großen Weltreligion sagen, dass sie ein ähnlich aufgeklärtes Verhältnis zwischen Politik und Glauben, Staat und Religion gefunden hat wie Christentum und Judentum. Diese beiden Religionsgemeinschaften sind für Geschichte und Kultur unseres Landes zweifellos prägend."

2015: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt am 30. Juni zum muslimischen Fastenbrechen in Berlin, es sei "offenkundig", dass der Islam "inzwischen unzweifelhaft zu Deutschland" gehöre. Insgesamt gibt es mehrere Äußerungen der Kanzlerin zu dem Thema. Im Januar etwa sagt sie bei einem Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu in Berlin unter Verweis auf den früheren Bundespräsidenten Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland.

2015: Kardinal Karl Lehmann setzt sich im Februar in "Glaube und Leben" mit dem Satz des damaligen Bundespräsidenten Wulff auseinander. Europa sei bis in viele geistige und gesellschaftliche Eigenheiten hinein tief geprägt vom "Judentum-Christentum". Daher sei eine simple Gleichung der Zugehörigkeit des Islam historisch und im Blick auf die aktuelle geistig-gesellschaftliche Situation unzureichend "und sogar falsch". Dies behindere allerdings nicht "ein Heimatrecht von Muslimen in Deutschland und eine schon von der Religionsfreiheit her gebotene Existenz und Tätigkeit des Islam bei uns". Er warnt davor, dass der Satz "Der Islam gehört zu Deutschland" zu einem Feindbild beitragen könne.

2018: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagt am 16. März der "Bild"-Zeitung, dass hier lebende Muslime "selbstverständlich" zu Deutschland gehörten. "Das bedeutet natürlich nicht, dass wir deswegen aus falscher Rücksichtnahme unsere landestypischen Traditionen und Gebräuche aufgeben." Er ergänzt: "Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Deutschland ist durch das Christentum geprägt."