Demos gegen Rechts in vielen Städten

Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechts / © Soeren Stache (dpa)
Teilnehmer einer Demonstration gegen Rechts / © Soeren Stache ( dpa )

Deutschlandweit werden Zehntausende Menschen bei Demonstrationen gegen Rechts und für die Demokratie erwartet. Allein bei einer Kundgebung in Hannover am Samstag gehen die Veranstalter von deutlich mehr als 10.000 Teilnehmern aus. 

Als Redner werden Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU) und die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Yasmin Fahimi, erwartet. Weitere größere Demonstrationen sind am Samstag unter anderem in Dortmund, Erfurt und Heidelberg geplant.

Eine Demonstration gegen Rechts und die AfD in Hamburg musste am Freitagabend wegen des großen Menschenandrangs sogar abgebrochen werden. Einer der Organisatoren verwies auf Sicherheitsbedenken. Menschen seien in der Menge kollabiert und die Feuerwehr sei nicht mehr durchgekommen. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter von 80 000. In Münster gingen nach Polizeiangaben mehr als 10.000 Menschen auf die Straße, in Bochum 13.000, in Kiel etwa 4.000 und in Jena 3.000.

Auslöser der Proteste ist ein Bericht des Medienhauses Correctiv aus der vergangenen Woche über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen in einer Potsdamer Villa vom 25. November. An dem Treffen hatten auch mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen.

Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über "Remigration" gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang. Bereits in den vergangenen Tagen gingen Tausende Menschen in deutschen Städten auf die Straße. Häufig beteiligten sich deutlich mehr Menschen an dem Protest als von den Veranstaltern angemeldet waren.

Kanzler Olaf Scholz verglich die "Remigrations"-Pläne Rechtsradikaler in Deutschland mit der Rassenideologie der Nationalsozialisten. "Wenn etwas in Deutschland nie wieder Platz haben darf, dann ist es die völkische Rassenideologie der Nationalsozialisten. Nichts anderes kommt in den abstoßenden Umsiedlungsplänen der Extremisten zum Ausdruck", sagte der SPD-Politiker in der am Freitag veröffentlichten Ausgabe seiner Videoreihen "Kanzler kompakt". "Sie sind ein Angriff auf unsere Demokratie – und damit auf uns alle."

Alle Menschen in Deutschland seien gefordert, klar und deutlich Stellung zu beziehen: "Für Zusammenhalt, für Toleranz, für unser demokratisches Deutschland." Scholz unterstützte die Demonstrationen ausdrücklich. "Das, was wir gerade hier in unserem Land erleben, geht uns wirklich alle an – jede und jeden von uns", sagte er. "Ich sage es in aller Deutlichkeit und Härte: Rechtsextremisten greifen unsere Demokratie an. Sie wollen unseren Zusammenhalt zerstören." Er versicherte allen Menschen in Deutschland mit Migrationshintergrund: "Sie gehören zu uns! Unser Land braucht Sie!"

Auch über das Wochenende hinaus sind Kundgebungen geplant. So ist als Symbol einer Brandmauer gegen rechts am 3. Februar in Berlin eine Menschenkette um das Reichstagsgebäude angesetzt.

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, begrüßte die Kundgebungen. "Ich bin wirklich erfreut, dass die Mitte der Gesellschaft aufsteht", sagte Schuster der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag). 

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Thomas Haldenwang, sagte der "Westdeutschen Zeitung" (Samstag): "Es wäre wünschenswert, wenn die schweigende Mehrheit unserer Bevölkerung klar gegen Extremismus und Antisemitismus Position beziehen würde. Und erfreulicherweise demonstrieren aktuell viele Menschen dagegen."

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, zeigte sich angesichts hoher Umfragewerte für die AfD besorgt. "Wir sehen leider eine Erosion demokratischer Werte, die ich sehr beunruhigend finde. Auf genau diesem Nährboden gedeiht Judenhass", sagte er der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Er appellierte an die Wählerinnen und Wähler, nicht gegen ihre eigenen Interessen zu wählen. "Unsere Volkswirtschaft hängt in hohem Maße von freien Märkten ab, davon, dass Deutschland als weltoffenes Land gilt." (dpa/20.01.2024)