Buch "Die Ewigkeit ist ein guter Ort"

Der Weg in die Ewigkeit / © Bruce Rolff (shutterstock)

Eines Tages kommen Elke die Worte abhanden. Und zwar nicht irgendwelche Worte, sondern solche, die für die junge Theologin eine besondere Bedeutung haben: die Zeilen des Vaterunser. Sie fühlt sich von Gott verlassen und stellt sich die bange Frage: "Ist das Gott-Demenz?" Von ihrer folgenden Suche - wonach, das weiß sie zunächst wohl selbst am wenigsten - erzählt der Debütroman von Tamar Noort, "Die Ewigkeit ist ein guter Ort". Der Ton des Buchs ist heiter, bisweilen skurril, und es enthält ebenso poetische wie pointierte Beobachtungen.

Schließlich hat Noort es zu ihrem Beruf gemacht, "die verborgene Bedeutung von Sprache aufzuspüren", wie sie selbst sagt. Und schließlich drehe sich im Glauben vieles um Worte - so beginnt schon die Bibel mit dem Satz "Im Anfang war das Wort". Die Autorin, die seit 2009 wissenschaftliche Dokumentarfilme macht, wollte allerdings kein Buch über die Kirche schreiben, erklärt sie im Interview. "Ich habe den Eindruck, ja, Menschen treten aus, Kirche verliert an Bedeutung - in diesem althergebrachten System jedenfalls -, aber die Sehnsucht nach einer gewissen Spiritualität verschwindet nicht."

Aktuelle Krisen spielen im Roman also eher eine untergeordnete Rolle. Eine Studie, nach der sich die Zahl der Kirchenmitglieder bis zum Jahr 2060 halbieren könnte, wird erwähnt, ebenso wie der Klimawandel in den Gedanken von Hauptfigur Elke einmal in angedeuteter Form auftaucht: "Einfach immer eine Schippe drauflegen, dachte ich. So fordert man Gott heraus. Oder den Regen." Doch eigentlich geht es im Roman um das, was in der öffentlichen Wahrnehmung von Kirche bisweilen unterzugehen scheint: um die Suche nach Antworten auf die großen Fragen, nach Sinn, nach Glaube.

Dabei zeigt Noort, dass Lachen und Weinen, Tanzen und Klagen, Leichtigkeit und Schwere oft eben keine Gegensätze sind, sondern miteinander zusammenhängen. Elke begibt sich auf waghalsige Manöver mit Motorradartisten, pflegt einen bilingualen Papagei, klaut ihrem Vater, einem Pastor, dessen Predigten, als sie ihn wegen einer schweren Erkrankung vertritt. So sei "das Leben selbst", sagt die Schriftstellerin. Die Herausforderung liege darin, das Heitere und das Traurige in Balance zu bringen, "immer wieder aufs Neue".

Die "kleinen Absurditäten des Alltags" könnten dabei helfen, einem aber auch im Weg stehen, fügt sie hinzu. Dasselbe gilt offenbar für Rituale: So gibt es im Roman eine demenzkranke alte Dame, die sich an kaum noch etwas erinnert, aber jedes Weihnachtslied auswendig und mit Vergnügen singen kann. Und es gibt eben Elke, die den unverstellten Zugang zu ihrem Glauben verloren hat: Als Kind und als Jugendliche, so erinnert sie sich, sei es ihr leichtgefallen zu beten. Jetzt fühle sie sich dagegen, "als müsste ich Gott auf die Mailbox sprechen".

Szenen wie diese, die die Leserinnen und Leser zum Schmunzeln bringen, bietet der Roman zuhauf. So besucht Elke mit ihrem kirchenfernen Freund einen Gottesdienst, der sich darauf freut, "als würden wir einen neuen Club ausprobieren oder eine extravagante Ausstellung besuchen". Andere Beschreibungen sind nachdenklich, zum Beispiel, als es um die biblische Figur Hiob geht: "Was nützte es, erst im Nachhinein zu erfahren, dass Gott einem niemals von der Seite wich? Brauchte man nicht im Hier und Jetzt das Gefühl, dass jemand seine Arme um einen legt und alles leichter wird?"

Sinnsuche ist nach Einschätzung der Autorin immer ein Thema, aber in der heutigen Zeit besonders. Auch scheine "eine gewisse Mutlosigkeit gegenüber den Möglichkeiten, die das Leben bietet", so Noort, "ein Phänomen unserer Zeit zu sein. Vielleicht hat sich das durch die Beschränkungen der Corona-Zeit verstärkt." Viele Menschen hätten sich vom Leben in Gemeinschaft ein wenig entwöhnt. Und auch grundsätzlich sei "freier Raum im Kopf" ein Geschenk, das jedoch zugleich Angst machen könne und viel Eigenverantwortung brauche - wie sie die Protagonistin im Roman entwickelt. Noort: "Insofern müssen wir alle uns diesen Freiraum wieder neu gestalten."

(Quelle: kna, Paula Konersmann, 04.08.2022)