Zwei Päpste feiern Premiere auf Berliner Theaterparkett

Kirchenpolitik als Kammerspiel

Die Netflix-Produktion war 2019 ein voller Erfolg, drei Oskar-Nominierungen inklusive. Nun hat Anthony McCarten eine Theaterfassung seines Werks "Die zwei Päpste" nachgelegt, die in Berlin Deutschland-Premiere feiert.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Plakat für den Film Die zwei Päpste im Vatikan (Archiv) / © Burkhard Jürgens (KNA)
Plakat für den Film Die zwei Päpste im Vatikan (Archiv) / © Burkhard Jürgens ( KNA )

Im Hintergrund der Bühne säumen Pinien den Hintergrund. Auf einer kleinen Bank sitzen zwei alte Männer. Der eine ganz in weiß, mit blutroten Schuhen. Der andere ganz in schwarz, mit blutrotem Gürtelband.

Der eine gilt als konservativer "Hardliner", der andere als volksnaher "Reformer". Es sind Papst Benedikt XVI. (Walter Kreye) und Kardinal Jorge Mario Bergoglio (Walter Sittler), der spätere Papst Franziskus, die in diesem Kammerspiel wortreich - und nicht ohne Witz - um den künftigen Kurs der katholischen Kirche ringen.

Es geht um Machtstrukturen, aber auch eine Positionierung in der modernen Gesellschaft. Wiewohl das Setting im Jahr 2012 angesiedelt ist, hat es nichts an Aktualität eingebüßt.

Großer Erfolg als Netflix-Produktion

Das Stück "Die zwei Päpste" von Anthony McCarten (60) feierte bereits 2019 als Netflix-Produktion große Erfolge, inklusive dreier Oskar-Nominierungen in den Kategorien Bester Hauptdarsteller (Jonathan Pryce als Kardinal Bergoglio), Bester Nebendarsteller (Anthony Hopkins als Papst Benedikt XVI.) und Bestes adaptiertes Drehbuch. Inzwischen legte McCarten, der auch ein Sachbuch über den ungewöhnlichen Papstwechsel 2013 schrieb, eine Bühnenfassung des Stücks nach, die jetzt im Berliner Renaissance-Theater Deutschland-Premiere feiert. Geplant sind 30 Aufführungen bis zum 6. Juni.

Anthony Hopkins als Papst Benedikt und Jonathan Pryce als Papst Franziskus in einer Szene des Films "Die zwei Päpste" / © Peter Mountain (dpa)
Anthony Hopkins als Papst Benedikt und Jonathan Pryce als Papst Franziskus in einer Szene des Films "Die zwei Päpste" / © Peter Mountain ( dpa )

Zu Beginn stehen zwei Szenen gleichen Musters: Zwei alte Männer beabsichtigen von ihren hohen Kirchenämtern zurückzutreten, zwei Nonnen lesen ihnen deswegen beherzt die Leviten und sezieren den Egoismus der geplanten Entscheidung.

Da ist Kardinal Bergoglio, leidenschaftlich-authentisch von Sittler gespielt, der mit 75 Jahren als Erzbischof von Buenos Aires zurücktreten will, um als einfacher Priester weiterzuleben. Einer seiner Beweggründe: Der konservative Kurs von Benedikt XVI. Eine junge Nonne "stellt" ihn in einer Kirche in den Slums: "Die Menschen brauchen gerade jetzt einen Kardinal wie Sie! Die dürfen nicht aufhören."

Und da ist Benedikt XVI., der einer befreundeten Nonne - erkennbar angelehnt an Ratzingers frühere Vertraute und Haushälterin Ingrid Stampa - als Erster seinen Rücktritts-Plan eröffnet, von seinem inneren Ringen, seinen Selbstzweifeln erzählt. Als er sie fragt, was die Leute über ihn sagen, was ihm als Papst fehle, redet sie sich quasi in Rage, das Repertoire reicht von seiner menschenscheuen Art bis zu den Auffassungen zur katholischen Sexualmoral. Gleichwohl:

Einen Rücktritt will sie trotz allem nicht dulden. Er beschädige das Amt.

Etwas übertrieben Klamaukhaftes

Die Szene hat zugleich etwas übertrieben Klamaukhaftes. Wer kann sich allen Ernstes einen Papst Benedikt vorstellen, der in grünem Mantel über der weißen Soutane und mit Gamsbart-Hut polternd in die Wohnung einer Nonne stürmt, um mit ihr im Fernsehen die neueste Folge "Kommissar Rex" anzuschauen, sein Sinnieren über "die Krise der westlichen Welt" immer wieder in kindlicher Vorfreude auf "unsern lieben, lieben Rex" unterbricht. Gut, Benedikts Begeisterung für diese TV-Serie ist belegt. Gleichwohl spielt Walter Kreye den feingeistigen, introvertierten deutschen Papst über weite Strecken viel zu laut, zu extrovertiert. Benedikt XVI. erkennt man in ihm nicht wieder, eher schon von Gestik und Habitus her Johannes Paul II.

Im Zentrum des Plots steht dann eine - historisch nicht belegte - mehrtägige Begegnung zwischen Benedikt XVI. und seinem späteren Nachfolger. Zunächst ist es ein Schaulaufen der jeweiligen theologischen Sichtweisen und ein Maßregeln des jeweils anderen. Ist Bergoglio erst noch von Benedikt eingeschüchtert, schwimmt er sich doch frei und kritisiert den gewaltigen Reformstau der Kirche, als dessen Ursache er den Papst ausmacht. Als beide dann auf Augenhöhe auf einer kleinen Bank in den Gärten von Castel Gandolfo, der päpstlichen Sommerresidenz, sitzen, näheren sie sich langsam an, hören einander aufmerksam zu.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. besucht Papst Franziskus im Jahr 2015 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani (KNA)
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. besucht Papst Franziskus im Jahr 2015 / © Osservatore Romano/Romano Siciliani ( KNA )

Immer mehr zeigt sich: Benedikt XVI. will keinesfalls das Rücktrittsgesuch Bergoglios annehmen. Vielmehr will er prüfen, ob der Mann, der bereits bei der Papstwahl sein größter Konkurrent war, nun zu seinem Nachfolger taugt: "Es gibt eine Redensart: Gott korrigiert seine Päpste, indem er ihre Nachfolger schickt. Ich würde meine Korrektur gerne sehen." Während zunächst nicht klar ist, warum Benedikt XVI. ausgerechnet einen ihm so entgegengesetzten Menschen zum Nachfolger will, kristallisiert es sich im Laufe des Gesprächs immer deutlicher heraus.

Zwar finden die beiden Männer in den inhaltlichen Problemen keinen Konsens. "Es bin nicht ich, der zufrieden sein muss, sondern 1,2 Milliarden Gläubige", sagt Bergoglio. "Veränderung bedeutet Kompromiss", sagt Benedikt XVI. Doch als sie über "die Stimme Gottes" theologisch ins Gespräch kommen, darüber, wie man ganz praktisch "hört", was Gottes Wille ist, da sind sie plötzlich einander sehr nah beieinander, machen ihren Frieden miteinander.

Und nehmen sich wechselseitige die Beichte ab: Bergoglio spricht von seinen Schuldgefühlen angesichts seines Verhaltens während Argentiniens Militärdiktatur (1976-1983), Benedikt XVI. bekennt sein Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauchstätern in seiner Zeit als Münchner Erzbischof. Hier greift das Theaterstück erkennbar das jüngste Münchner Missbrauchsgutachten auf, was in der Verfilmung noch keine Rolle spielte. Insgesamt ist die Bühnenfassung eine gelungene Verdichtung des Films - Kirchenpolitik als feines Kammerspiel.

Quelle:
KNA