Zum Weltspieltag fordern Experten Mitbestimmungsrechte von Kindern bei der Raumplanung

Mehr Platz zum Herumtoben im Freien

Kreative Spielorte gibt es immer weniger in Deutschland, warnen Experten. Darauf will der Weltspieltag aufmerksam machen, der am Donnerstag, initiiert vom Deutschen Kinderhilfswerk und dem Bündnis "Recht auf Spiel", bundesweit zum zweiten Mal begangen wird. Unter dem Motto "Ungewöhnliche Spielorte" sind Kindereinrichtungen aufgerufen, mit witzigen oder provokanten Spielaktionen ein Zeichen zu setzen.

Autor/in:
Karoline von Graevenitz
 (DR)

Mit Feuereifer hämmern Jan und Tobi einen Nagel nach dem anderen in ihre selbst gebaute Holzbude. Ihr Werk aus Pfählen und Latten steht neben anderen von Kinderhand gefertigten «Buden» auf dem Gelände des Erlebnisspielplatzes (ESP) Eller in Düsseldorf. Zweimal pro Woche kommen die zehn und siebenjährigen Geschwister auf den Spielplatz, denn die Familie besitzt keinen Garten. «Nirgendwo können wir so gut spielen wie hier», versichern die beiden mit glücklichen und lehmverschmierten Gesichtern. Die Tageseinrichtung für Kinder in Eller ist eine der wenigen, die Kindern den Freiraum gibt, ohne Programmvorgaben unter freien Himmel zu spielen.

«In Deutschland gibt es seit dem Zweiten Weltkrieg einen Trend, zulasten von Kindern zu bauen», moniert Rainer Deimel, Bildungsreferent vom ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e.V. Wohnraum werde immer mehr verdichtet, selbst Hinterhöfe und Grünflächen seien immer öfter Verbotszonen für Kinder. In den vergangenen 30 Jahren habe zudem der Straßenverkehr um das 500-Fache zugenommen.

Die Kommunen veräußerten in Zeiten der Haushaltsnot immer mehr Freiflächen, sagt Holger Hofmann von Deutschen Kinderhilfswerk. «Das ist kurzsichtig gedacht. Denn die Zukunft der Kommunen hängt davon ab, wie attraktiv der Ort bleibt.» Die Forderung der Experten zum Weltspieltag laute deshalb, Kinder an der Stadtplanung zu beteiligen, um Orte, die sie für sich als wichtig und attraktiv erachten, zu erhalten.

«Man sieht Kinder kaum noch draußen. Wenn, dann nur stark funktionalisiert, auf dem Weg zur Schule, im Training für irgendeinen Verein», beobachtet Erziehungswissenschaftler Deimel. Das liege auch an der Vereinnahmung durch Fernsehen und Computer zu Hause. So hätten selbst auf dem Land Kinder verlernt, draußen zu spielen. «Viele können nur noch unter Anleitung spielen, weil sie gewohnt sind, ständig berieselt zu werden.» Ein weiteres Problem sei, dass im Alltag der Kinder heute alles durchgeplant sei und kaum noch Zeit zum selbstgestalteten Spielen bleibe. Ein Gegenkonzept böten Erlebnisspielplätze wie der in Eller, der bereits Anfang der siebziger Jahre gegründet wurde.

«Budenspringen» ist die Lieblingsbeschäftigung von Tobi und Jan im ESP Eller. Daneben können sie mit selbstgebauten Flößen auf einem hüfttiefen Teich herumpaddeln, dürfen alleine Feuer machen, wenn «ein Großer» nicht weit ist, die Ziegen füttern oder einfach mit der Natur das anfangen, was ihnen gerade einfällt. Wichtig ist dem ESP, dass die Kinder die Elemente Wasser, Feuer, Luft und Erde spielend erleben. Außerdem ist es gewollt, dass die Kinder - wenn auch unter Aufsicht - eigene Erfahrungen machen. «Nur im Umgang mit Risiko lernen die Kinder, Gefahren einzuschätzen», erläutert Deimel.

«Es sind vor allem Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten, die zu uns kommen», sagt ESP-Leiter Thomas Strempel. Je höher die Schulform, desto weniger Zeit hätten die Kinder. Dies sei seit Einführung des achtjährigen Gymnasiums und der Ganztagsschulen immer deutlicher.

Rund 100 Abenteuerspielplätze gibt es in NRW, für Deimel viel zu wenig. Dabei sei der Nutzen dieser Spielplätze politisch längst erkannt worden. Im zehnten Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 1998 werde die flächendeckende Installierung solcher Einrichtungen empfohlen. «Dies ist aber Makulatur geblieben», bemängelt Deimel.