Zum Stand der Ökumene im Pontifikat von Papst Franziskus

Zwischen Handeln und Inhalten

Am Freitag ist Papst Franziskus seit zwei Jahren im Amt. Prof. Johanna Rahner, Direktorin des Instituts für Ökumenische und Interreligiöse Forschung an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Tübingen, wirft einen Blick auf die Fortschritte in der Ökumene.

Papst Franziskus mit ukrainischen Bischöfen (KNA)
Papst Franziskus mit ukrainischen Bischöfen / ( KNA )

domradio.de: Franziskus überrascht immer wieder durch sein Auftreten und seine Ansprachen, hat er im Bereich der Ökumene auch schon für positive Überraschungen gesorgt?

Prof. Rahner: Es sind weniger seine Ansprachen als sein Auftreten, er ist ein Künstler, was symbolische Handlungen angeht. Da führt auch in der Ökumene kein Weg dran vorbei, wir merken es besonders im Verhältnis zur Orthodoxie. Sein Besuch beim Ökumenischen Patriarch von Konstantinopel war sehr an Symbolhandlungen gebunden und weniger an Inhalten. Aber das ist auch sehr wichtig in Sachen Ökumene.

domradio.de: Für uns in Deutschland steht ja die Ökumene der Katholiken und Protestanten im Vordergrund. Wie ist es da vorangegangen?

Prof. Rahner: Da muss man differenzieren. Das Verhältnis zwischen den Personen hier in Deutschland ist ja sehr freundschaftlich, auch auf theologischer Ebene. Aber die Inhalte machen Probleme. Und da ist Franziskus jemand, der die Inhalte nicht so sehr in den Vordergrund rückt. Er geht eher von der Option aus, dass gemeinsames Handeln in bestimmten Situationen auch die Dinge theologisch voranbringt. Er ist eher der Typ, der auf gemeinsames Handeln setzt, als dass er große theologische Traktate verfassen würde. Das war eher das, was Benedikt XVI. in den Vordergrund des ökumenischen Miteinanders gestellt hatte. Und da sind natürlich die Bretter, die zu bohren sind, noch ziemlich dick. Das heißt, es ist einiges an theologischen Inhalten eben doch noch nicht als gemeinsam zu Bekennendes erkannt. Da wird es am inhaltlichen Arbeiten noch weitergehen müssen. Aber unabhängig davon sind die Beziehungen, die Franziskus offen nach außen hin lebt, durchaus ein hoffnungsvolles Zeichen.

domradio.de: Auf der anderen Seite scheint Papst Franziskus auch nicht für schnelle Kompromisse zu stehen. Im Dezember hat er sich gegen eine gemeinsame Eucharistiefeier von Katholiken und Protestanten ausgesprochen. Im ökumenischen Dialog müssten die Bischöfe darauf achten, dass die Gläubigen jeder Konfession ihren Glauben "unmissverständlich und frei von Verwechslung" leben könnten und "ohne die Unterschiede auf Kosten der Wahrheit wegzuretuschieren". Wie rasch kann es denn Ihrer Meinung nach zu substanziellen Fortschritten kommen?

Prof. Rahner: Da sind noch einige theologische Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Die Frage ist, was man in der Praxis macht. Gemeinsame Eucharistie von katholischer und evangelischer Kirche ist das große Endziel. Aber da gibt es auch noch einige Vorstufen, z.B. das Stichwort Eucharistische Gastfreundschaft. Oder, in Deutschland schon Realität, der Umgang mit konfessionsverbindenden Ehepaaren. Das sind Vorstufen, über die man auch in Deutschland konkret nachdenken muss, unabhängig davon, ob man jetzt damit seine eigene konfessionelle Position in Frage stellt oder nicht. Es käme hier auch darauf an, darauf einzugehen, was Papst Franziskus immer in den Vordergrund stellt, nämlich die Frage des barmherzigen Umgangs miteinander. Da gelte es gerade beim Thema konfessionsverbindende Ehen in Deutschland doch einige Dinge voranzubringen. Wir sind nun mal das Land auf der Welt, das ein fast paritätisches Verhältnis von evangelischen und katholischen Christen hat, dementsprechend ist das "Problem" wirklich brennend.

domradio.de: Franziskus ist Südamerikaner, dort sind vor allem die evangelikalen Kirchen sehr stark. Wo sehen Sie seinen Schwerpunkt bei der Ökumene?

Prof. Rahner: Da kommt viel von seinen persönlichen Beziehungen durch, durchaus auch Freundschaften. Da merkt man auch wieder, wie stark er fokussiert ist auf das gemeinsame Handeln. Das scheint seine Erfahrung aus Lateinamerika zu sein, dass er wirklich in diesem gemeinsamen Agieren z.B. in sozialen Fragen die evangelikalen Gruppen durchaus als Bündnispartner zu schätzen gelernt hat. Dementsprechend geht er sehr offen mit ihnen um. Das ist ein Weg, der sich vielleicht bei solchen Gruppierungen, die sich ja weniger über dogmatische Dinge definieren, als vom konkreten Erleben und Handeln her kommen, dass man mit denen erst mal auf diese Weise in Kontakt tritt und Freundschaften pflegt. Um dann auch inhaltlich weiterzukommen.

domradio.de: Wie lautet Ihr Fazit? Ist die Ökumene unter Franziskus auf einem guten Weg?

Prof. Rahner: Was das erwähnte gemeinsame Handeln angeht, mit Sicherheit. Etwas skeptisch bin ich, was die Inhalte angeht. Aber vielleicht ist das auch eine typisch mitteleuropäische Denkweise. Bei uns dreht sich oft alles um die theologischen Kernpunkte, wo sich schon ganze Generationen von Theologen dran abgearbeitet haben. Wir haben ja oft weniger die konkrete Praxis im Blick. Da ist Franziskus durchaus eine Herausforderung, weil er einfach mal Dinge tut, vielleicht manchmal auch ohne groß drüber nachzudenken. Da müssen mitteleuropäische Theologen manchmal auch hinterhergucken und sich überlegen, wie sie das theologisch wieder einfangen könnten.

Das Interview führte Mathias Peter.


Quelle:
DR