"Semana Santa" in Sevilla findet nicht statt

Zum ersten Mal seit 1933

In Südspanien ist die Karwoche, die "Semana Santa", eine ganz besondere Woche. In diesem Jahr werden die Prozessionen bedingt durch das Coronavirus nicht stattfinden. Für die Spanier ist das nicht nur ein emotionaler, sondern auch wirtschaftlicher Verlust.

Hunderte Menschen begleiten die Prozessionen durch die Stadt während der Semana Santa. / © Miguel Ángel Osuna (privat)
Hunderte Menschen begleiten die Prozessionen durch die Stadt während der Semana Santa. / © Miguel Ángel Osuna ( privat )

DOMRADIO.DE: Ich erreiche Sie ja nicht in Spanien, sondern in Deutschland. Mussten Sie wegen der Corona-Krise ausreisen?

Alfred Scheller (Pfarrer für die deutschen Gemeinden in Marbella und Torrox Costa): Nein, ich konnte wegen der Corona-Krise nicht mehr nach Spanien zurück, weil ich jedes Jahr im Februar/März eine Ärzte- und Krankenhaus-Tour in Deutschland mit einen Check up mache, weil ich wegen meiner chronischen Polyarthritis von meinem Bischof damals für drei Jahre nach Spanien geschickt wurde. Das wurde dann einige Male verlängert und jetzt sind es schon 19 Jahre geworden. Aber das Klima tut mir gut. Deswegen sind ja auch viele Deutsche in Spanien, eben wegen dieser Krankheit und wegen Asthma. Deswegen bin ich dort.

DOMRADIO.DE: Was machen denn die Mitglieder Ihrer Gemeinden jetzt ohne Sie? Sie sind in Deutschland und die Gemeindemitglieder in Spanien?

Scheller: Die Gemeindemitglieder sind fast alle auch in Deutschland. Wegen Corona sind sie alle vorzeitig zurück, bis auf 25 Personen, wie ich jetzt zusammengezählt habe, die noch dort sind. Manche haben auch in Deutschland gar kein Haus oder keine Wohnung mehr, sie sind natürlich dortgeblieben. Von der deutschen Schule sind natürlich auch viele, die dort ihren festen Wohnsitz haben, die sind auch noch dort. Wir haben fünf Firmlinge in diesem Jahr und die sind wohl alle noch da.

DOMRADIO.DE: Sie sind ja trotzdem mit Ihrer Gemeinde verbunden und haben mit dem einen oder anderen gesprochen oder geschrieben. Wie geht es den Mitgliedern der Gemeinde, diesen 25, die noch in Spanien geblieben sind?

Scheller: Eine Frau ist schwer krank und hat Krebs. Das ist dann besonders schwer, weil ich nicht zu ihr kann. Aber wir telefonieren fast jeden oder jeden zweiten Tag. Mit anderen bin ich telefonisch verbunden, mit WhatsApp und mit Skype oder per Mail. Wir sind schon gut verbunden, auch mit den Deutschen, die mal in Spanien waren oder dort sind. Ich habe angefangen mir gleich im ersten halben Jahr Geburtstage, Adressen und Telefonnummern aufzuschreiben. Ich habe mir da so eine Kartei aufgebaut, um mit den Deutschen – auch wenn sie nicht da sind – in Kontakt bleiben zu können.

DOMRADIO.DE: In Südspanien ist die Karwoche, die "Semana Santa", eine ganz besondere Woche. Deshalb ist es für viele Spanier eine riesige Enttäuschung und auch schwer zu akzeptieren, dass die "Semana Santa" nicht wie sonst stattfinden kann – zum ersten Mal seit 1933. Wie gehen die Spanier damit um?

Scheller: Ich bin nicht da, ich weiß es nicht, aber ich kann mir gut vorstellen, dass es denen sehr schwer fällt. Uns Deutschen fällt es auch sehr schwer, keine Osternacht und keine Gottesdienste zu feiern. Jetzt machen wir zwar Texte für zuhause. Ich denke, das machen die auch so, aber die Bruderschaften, die immer alles vorbereiten und sich so engagieren – und auch für die Musikkapellen, die dabei sind, tut das sicherlich sehr weh.

DOMRADIO.DE: Was passiert normalerweise in der "Semana Santa"? Was ist das, was Sie am meisten beeindruckt hat, als Sie sie miterlebt haben?

Scheller: Ich feiere ja meine Gottesdienste wie in Deutschland mit den Deutschen. Ich habe da eine Gemeinde, da fahre ich durch Malaga durch oder an Malaga vorbei. Da kann ich dann manchmal auch an einer Prozession am Abend noch teilnehmen. Diese Prozessionen sind ja ganz schön lang. Ich war bei einer Prozession dabei, da waren die Menschen fünf, sechs, bis zu acht Stunden mit Musik unterwegs. Von Ihrer Heimatkirche, wo der Trono aufgebaut wird, geht es dann auf einem Weg an der großen Straße bis zum Dom. Am Dom wird eine kurze Pause gemacht und dann geht es wieder heimwärts. Das sind ganz lange Wege.

DOMRADIO.DE: Das ist nicht nur ein emotionaler, sondern auch für die Spanier ein wirtschaftlicher Verlust, dass das ausfällt. Selbst wenn davon die Rede ist, dass es im September nachgeholt werden könnte. Im spanischen Fernsehen werden wahrscheinlich die Prozessionen der vergangenen Jahre übertragen. Könnte sowas trösten oder ist das kein Ersatz? Was glauben Sie?

Scheller: Ja, es tröstet schon ein bisschen, wenn man wieder daran erinnert wird und es ein bisschen mitlebt. Aber das selber zu machen und selber dabei zu sein, ist natürlich was ganz anderes. Jetzt ist natürlich in Spanien ein totales Ausgehverbot. Natürlich, die Sache ist wirklich ernst und ich kenn in Spanien eine spanische Familie mit einem deutschen Mann, die sich mit dem Virus angesteckt haben.

DOMRADIO.DE: Wie werden Sie die Ostertage verbringen? Werden Sie auch da versuchen, mit Ihrer Gemeinde in Verbindung zu sein, obwohl Sie jetzt nicht mit den Gemeindemitgliedern an einem Ort sind, sondern wirklich in großer Distanz?

Scheller: Ja, ich bin natürlich mit den Gemeindemitgliedern verbunden. Ich bin natürlich jetzt, weil die Deutschen ja auch weg sind, hier in einer kleinen Gemeinde bei Trauberbischofsheim und helfe dort mit. Das ist eine ganz kleine Gemeinde. Jetzt haben wir gestern zu dritt den Palmsonntag gefeiert und auch die Palmzweige und Osterkerzen gesegnet, die die Leute dann in der Osternacht zuhause anzünden.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR