Zum Auftakt des Parteitags erklärt die Kanzlerin die Kurswechsel ihrer Partei

Verteidigungsrede

In Leipzig hat der Parteitag der CDU begonnen. Dass der Kompromiss zur Einführung von Mindestlöhnen am Abend abgesegnet wird, scheint sicher. Bundeskanzlerin Merkel verteidigte in ihrer Auftaktrede auch andere Denkwenden ihrer Partei.

 (DR)

Die Parteivorsitzende sagte am Montag in ihrer Rede vor den Delegierten, das Thema treibe viele CDU-Mitglieder um. Niemand wolle allerdings einen flächendeckenden, einheitlichen und politisch festgelegten Mindestlohn. Vielmehr gehe es darum, die Tarifautonomie zu stärken. Die CDU strebe dort Lohnuntergrenzen an, wo es keine Tarifverträge gebe. Eine Orientierung solle es an Branchentarifverträgen geben. Dafür nehme die Politik die Tarifpartner in die Pflicht.



Zur umstrittenen Energiewende sagte Merkel, das Restrisiko habe mit der Reaktorkatastrophe von Fukushima ein neues Gesicht bekommen. Deshalb müsse man Konsequenzen ziehen, und das bedeute, die Energiewende in Deutschland schneller einzuleiten. Für die CDU sei die Kernenergie schon lange eine Brückentechnologie gewesen. Es sei also nicht mehr um das Ob des Umstiegs gegangen, sondern um das Wie, "um einen Umstieg mit Augenmaß", sagte Merkel. Dies bleibe natürlich "eine riesige Aufgabe", aber die Welt habe sich durch Fukushima eben verändert. Die CDU stehe dabei nicht nur für den Ausstieg, die Partei sage auch, "wie wir das machen"



Als Konsequenz aus der Euro-Schuldenkrise forderte die Kanzlerin grundlegende Veränderungen der europäischen Vertragsstrukturen. "Es ist Zeit für einen Durchbruch zu einem neuen Europa". Merkel sprach von einer "historischen Bewährungsprobe", das Schuldenproblem dauerhaft zu überwinden. Wer die Regeln des europäischen Stabilitätspaktes verletzte, müsse mit automatischen Sanktionen und Klagen beim Europäischen Gerichtshof rechnen müssen. Dazu müssten die europäischen Strukturen weiterentwickelt werden. "Das heißt nicht weniger Europa, das heißt mehr Europa", betonte die CDU-Vorsitzende.



Mindestlohn-Kompromiss wird begrüßt

Der Kompromiss zur Einführung von Mindestlöhnen wurde indes in der CDU einhellig begrüßt. Die stellvertretende CDU-Vorsitzende, Annette Schavan, sagte am Montag im rbb Inforadio, sie erwarte in Leipzig keine großen Auseinandersetzungen mehr. Das Ziel einer Lohnuntergrenze sei mit der Tarifhoheit verbunden worden: "Das war ja genau die Aufgabe", sagte Schavan.



Führende Politiker der Partei hatten sich am Sonntag auf einen Kompromiss verständigt. Danach will die CDU zwar eine Lohnuntergrenze, nicht aber einen einheitlichen Mindestlohn. Vielmehr sollen Abweichungen möglich sein, etwa regionale Unterschiede oder geringe Stundenlöhne für Berufsanfänger. Über die Höhe der Mindestlöhne soll eine Kommission aus Arbeitgebern und Gewerkschaften verhandeln. Dabei soll sie sich an den bereits vereinbarten Branchen-Mindestlöhnen orientieren, die zwischen sieben und neun Euro pro Stunde liegen.



Der Arbeitnehmerflügel der CDU hatte in einem Antrag für den Parteitag eine allgemeine verbindliche Lohnuntergrenze verlangt, die den Mindestlöhnen für Leiharbeiter entsprechen sollte. Sie betragen sieben Euro im Osten und knapp acht Euro im Westen Deutschlands. Der Bundesvorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann, erklärte am Sonntagabend in Leipzig, der Arbeitnehmerflügel habe seine beiden wichtigsten Ziele erreicht. Es werde eine allgemeine, verbindliche Lohnuntergrenze eingeführt, "die die Regel sein wird."



Die Arbeitnehmervertretung im Deutschen Caritasverband verlangte, die kirchlichen Beschäftigen einzubeziehen. Dafür müsse ein Weg gefunden werden, wie dies beim Mindestlohn in der Pflege gelungen sei. Der katholische Wohlfahrtsverband beschäftigt 500.000 Menschen. Lohnuntergrenzen im Sozialmarkt dürften nicht ohne die Caritas festgesetzt werden, forderte die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas.