Zum 90. Geburtstag der Country-Legende Johnny Cash

Ein Mann der inneren Zerrissenheit

Am 26. Februar wäre Johnny Cash 90 Jahre alt geworden. In einer evangelikalen Familie im Süden der USA groß geworden, war er zeitlebens ein tiefreligiöser Mensch - auch wenn er einen wenig frommen Lebenswandel pflegte.

Autor/in:
Gabriele Höfling

Johnny Cash ist noch ein Kind, da ereilt seine Familie ein furchtbarer Schicksalsschlag. Sein zwei Jahre älterer Bruder Jack arbeitet in einem Sägewerk, um zum Lebensunterhalt der Familie beizutragen. Als Teenager hat er dort einen Unfall mit einer Kreissäge und stirbt an seinen Verletzungen.

Der Tod des Bruders prägte den 1932 im US-Bundesstaat Arkansas geborenen Cash in doppelter Weise: Jack war sein Vorbild. Er hatte Prediger werden wollen; sein Tod verfestigte Cashs Glauben, den er durch seine evangelikale Familie ohnehin in die Wiege gelegt bekommen hatte. Andererseits wurde Cash mit Schuldgefühlen konfrontiert: Sein Vater gab ihm zu verstehen, dass er lieber Johnny an der Stelle von Jack hätte sterben sehen.

Erfolgreich in den 1950er und 60er-Jahren  

Eine tiefe Religiosität, aber auch eine innere Zerrissenheit: Diese beiden Größen sollten sich fortan wie ein roter Faden durch Johnny Cashs Leben ziehen. "In seinem Auftreten und seiner Musik drücken sich Konflikte aus, die im Grunde genommen jeder Mensch in sich trägt, so fasst es der Jesuiten-Pater Björn Mrosko zusammen. Er ist selbst Musiker, großer Cash-Fan und hat zusammen mit dem Hamburger Pädagogen Jürgen Brinkmann mehrere Aufsätze über die Religiosität des Musikers geschrieben. Cashs Freund Bob Dylan sagte einmal sinngemäß, wer wissen wolle, was es bedeute, ein Mensch zu sein, der müsse nur Johnny Cashs Musik hören.

Als junger Erwachsener schließt sich Cash der Country-Musikszene an, lässt sich unter anderem von Elvis Presley inspirieren. Die 1950er und 60er-Jahre sind für ihn eine erfolgreiche Zeit. Er bekommt viele Preise. Unter anderem wird sein in einem Gefängnis aufgenommenes Album "At Folsom Prison" samt Titelsong Ende der 60er bei den Grammys ausgezeichnet.

Er thematisiert auch soziale Themen, veröffentlicht Alben über die Situation von Arbeitern oder Indianern. Stets scheint auch die Religion durch: 1958 wechselt Cash das Plattenlabel, weil sein Produzent es nicht zulassen will, Gospels einzuspielen. Der schon 1956 entstandene Song "I Walk the Line", der dem erfolgreichen
Kinofilm aus dem Jahr 2005 den Namen gab, gilt als Liebeslied für seine erste Frau Vivian Liberto, aber es schwingt auch eine spirituelle Dimension mit.

Cash trinkt und wird drogenabhängig

Mit dem Erfolg kommen die Abgründe: Cash trinkt und wird drogenabhängig; nach zahlreichen Affären reicht Vivian Liberto 1966 die Scheidung ein - das Paar hat vier Kinder. Zu dieser Zeitpunkt ist Cash bereits mit der Country-Sängerin June Carter bekannt. 1968 heirateten die beiden und bleiben bis zu ihrem Tod zusammen, 35 Jahre.

Ab den 70er Jahren folgt eine Phase, in der Cash - seine schwarze Kleidung ist inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden - seine Religiosität stark nach außen trägt. Er dreht einen Film über Jesus von Nazareth und schreibt ein Buch über den Apostel Paulus. Gleichzeitig geht es mit seiner Musiker-Karriere bergab: "Er hat die Kunst seinem religiösen Eifer untergeordnet. Er wollte missionieren, ist mit dem bekannten Fernsehprediger Billy Graham auf Tour gegangen und wollte religiöse Botschaften vermitteln. Musikalisch kam das bei den Menschen nicht gut an", so Cash-Kenner Brinkmann.

Auch sein Alkohol- und Drogenproblem bekommt Cash nicht nachhaltig in den Griff. 1983 steht er bei Fernsehshow "Wetten, dass..?!" offensichtlich betrunken auf der Bühne.
 

Jürgen Brinkmann, Hamburger Pädagoge und Cash-Kenner

"Er hat die Kunst seinem religiösen Eifer untergeordnet. Er wollte missionieren, ist mit dem bekannten Fernsehprediger Billy Graham auf Tour gegangen und wollte religiöse Botschaften vermitteln. Musikalisch kam das bei den Menschen nicht gut an."

Einer seiner letzten Songs ist ein religiöser

Erst mit seinem letzten Produzenten Jack Rubin kann Cash in den 90er Jahren wieder an seine frühere musikalische Qualität anknüpfen. "Rubin verpasste Cash eine Art Fastenkur und brachte ihn wieder auf das Eigentliche zurück. Das hat ihm einen neuen Schub gegeben", sagt Brinkmann. Auf den späten Alben entstehen einige geradezu intime Lieder, reduziert, nur mit Cashs Gesang und seiner Gitarre.

Die Person und das Leben Cashs stehen im Vordergrund, alle seine Widersprüchlichkeiten und Konflikte bekommen einen Platz. "So schafft er es in dieser letzten Schaffensphase letztendlich doch, zu einem inneren Frieden zu kommen. Ich kenne viele Leute, die seine späteren Platten gekauft haben und davon sehr berührt waren», sagt Pater Mrosko.

Kurz vor der Jahrtausendwende wird Cash schwer krank - der Song "Hurt" (2002) muss inklusive Musikvideo bei ihm zu Hause aufgenommen und gedreht werden. Cash blickt darin auf sein Leben zurück, auch die Misserfolge spart er nicht aus. Er stirbt im September 2003 mit 71 Jahren, nur wenige Monate nach seiner Ehefrau June, und wird neben ihr beerdigt. Einer seiner letzten Songs ist übrigens ein religiöser: "The Man Comes Around" heißt er und handelt vom jüngsten Gericht und
der Wiederkehr Jesu.

Quelle:
KNA