Psychotherapeutin: Eltern werden in der Krise zu Vorbildern

Zukunftssorgen von Jugendlichen ernst nehmen

​Das Coronavirus bedroht nicht nur die Gesundheit der Menschen, sondern ebenso ihre Zukunftspläne. Schulabschluss, Praktikum, Berufseinstieg - auch viele junge Menschen sind verunsichert. Eltern können da helfen.

Autor/in:
Lisa Konstantinidis
Der Papst fordert mehr miteinander zu reden.  / © Ingo Wagner (dpa)
Der Papst fordert mehr miteinander zu reden. / © Ingo Wagner ( dpa )

Die angespannte Lage wegen der Corona-Pandemie lässt nicht nur Ängste um die eigene Gesundheit aufkommen, sondern zerschlägt auch viele Zukunftspläne. Für Schüler, Auszubildende, Studenten und Berufseinsteiger ist das eine schwierige Situation, die mit vielen Ängsten verbunden ist. Die im sächsischen Zschopau ansässige Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Cornelia Metge erklärt im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), wie Eltern ihre Kinder in dieser Situation unterstützen können.

Katholische Nachrichten-Agentu (KNA): Frau Metge, die gegenwärtige Corona-Pandemie beunruhigt viele Jugendliche und junge Menschen auch hinsichtlich ihrer beruflichen Zukunft. Wie können Eltern ihren Kindern, die gerade einen Schulabschluss, eine Ausbildung oder ein Studium absolvieren, in dieser Situation helfen?

Cornelia Metge (Kinder- und Jugendpsychotherapeutin): Eltern sollten ein offenes Ohr haben, zuhören und sich wie auch in anderen Lebensphasen für ihre Kinder interessieren. Ängste und Sorgen entstehen auch aus einem Gefühl der Hilflosigkeit heraus. Dem können Eltern begegnen, indem sie Sorgen von Kindern und Jugendlichen auf jeden Fall ernst nehmen. Und indem sie gemeinsam mit ihren Kindern mögliche Wege und Alternativen suchen. Es ist wichtig, Halt und Sicherheit zu geben und als Familie immer im Gespräch zu bleiben.

KNA: Wie könnte ein Gespräch konkret aussehen?

Metge: Eltern sollten auf jeden Fall Interesse für die derzeitige Situation ihrer Kinder signalisieren und auch offene Fragen stellen: Wie geht es dir? Was beschäftigt dich gerade? Das sind gute Einstiege in ein Gespräch.

Wenn dann Dinge zur Sprache kommen, die Ängste oder Unsicherheiten zeigen, dann ist es das Beste, das Gespräch nicht gleich mit guten Ratschlägen in eine bestimmte Richtung zu lenken, sondern genau zu schauen, was an der Situation von den jungen Menschen als belastend empfunden wird. Oft wird es keine einfache Lösung oder absolute Planungssicherheiten geben. Dann ist es wichtig, das offen anzusprechen und zu signalisieren: Gemeinsam werden wir das Schritt für Schritt hinbekommen.

KNA: Die berufliche oder akademische Zukunft ihrer Kinder ist auch für Eltern in der Regel ein großes Thema. Sollten sie ihren Kindern die eigenen Ängste diesbezüglich kommunizieren?

Metge: In Maßen. Besonders in schwierigen und unruhigen Zeiten suchen Kinder und Jugendliche Orientierung und Verbindung zu den Eltern. Es geht nicht darum, Antworten auf alle Fragen zu haben, aber es geht darum, jungen Menschen Sicherheit und Zuversicht zu vermitteln. Wenn Eltern ihre eigenen Ängste etwa in Bezug auf die berufliche Zukunft ihrer Kinder thematisieren, dann wirkt sich das eher angstverstärkend aus.

Was Fragen zur Pandemie konkret angeht, würde ich schon raten, offen zu besprechen, welche Gefahren, aber auch welche Chancen es gibt. Also, immer auch ein Stück weit zu relativieren und zu sagen, wo stehen wir gerade. Die Eltern sind in der Regel auch unsicher, aber sind auch immer ein Modell für ihre Kinder, wie man mit schwierigen Situationen umgeht. Wie kompetent löse ich etwas, auch wenn ich nicht weiß, wie eine Krise ausgeht. Wenn Eltern in ihren eigenen Ängsten und Sorgen gefangen sind, dann hilft das den Kindern sicher nicht weiter.

KNA: Wann sollten sich Familien externe Hilfe suchen beim Thema Zukunftsangst der Kinder?

Metge: Wenn Ängste beginnen, das Leben der Kinder und Jugendlichen zu beeinträchtigen. Wenn sie sich sehr zurückziehen, wenn sie nicht mehr aus ihrem Zimmer kommen, wenn sie eine permanente Hoffnungslosigkeit verspüren. Wenn sie ständig grübeln und Dinge, die sie sonst gerne getan haben, nicht mehr tun. All das ist beobachtbar. Eltern sollten dabei unbedingt auf ihren Bauch hören. Wenn das Gefühl sagt, irgendetwas stimmt nicht mit meinem Kind, ich dringe nicht mehr zu ihm durch, dann ist es auf jeden Fall ratsam, sich externe Hilfe zu suchen.

KNA: Wo lässt sich denn außerhalb der Familie Hilfe finden?

Metge: Der Austausch junger Menschen mit ihren Freunden kann auf jeden Fall helfen, die eigene Situation wieder besser einzuordnen. Klassenkameraden erleben beispielsweise gerade Ähnliches und können die eigenen Gefühle daher nachvollziehen. Und da ist geteiltes Leid oft halbes Leid.

Aber wenn Familie und Freunde nicht helfen können, gibt es noch Beratungsstellen mit telefonischen Sprechstunden, oder man macht einen Termin bei einem Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten oder psychologischen Psychotherapeuten. Dort können die Ängste gemeinsam thematisiert und Sorgen reflektiert werden. Psychotherapeutische Praxen sind immer noch geöffnet.

KNA: Wie können Familien Jugendlichen und jungen Erwachsenen dabei helfen, zu akzeptieren, dass sich ihre Zukunftspläne durch die Krise nicht wie erhofft umsetzen lassen?

Metge: Es ist in der Regel heilsam zu sehen, dass es immer mehr als einen Weg gibt, der zum Ziel führt. Manchmal braucht es eben ein oder zwei Umwege, aber Pläne sollten ohnehin nicht statisch oder eingleisig sein. Es gibt immer wieder Ereignisse im Leben, die einen direkten Weg verhindern. Das muss aber nicht bedeuten, dass ich meine Pläne nicht verwirklichen kann. Vielleicht stoße ich durch einen Umweg auf eine Chance, die sich sonst nicht geboten hätte. Geradewegs zum Ziel geht es auch unter normalen Umständen in den seltensten Fällen.

Auch hier sind Eltern wichtige Partner, die vermitteln können - vielleicht auch aus eigener Geschichte heraus - dass das eine oder andere auch ihnen nicht gleich so gut gelungen ist, sie aber trotzdem ihren Weg gefunden haben.


Quelle:
KNA