Zugang soll erschwert werden - Fachleute bezweifeln Wirksamkeit der Maßnahmen

Kampf gegen Kinderpornos

Die Bundesregierung will den Zugang zu Kinderpornografie im Internet erschweren. Dazu verabschiedete das Bundeskabinett nach langem Streit am Mittwoch in Berlin Eckpunkte. In einem ersten Schritt will das Familienministerium auf freiwilliger Basis Verträge mit Anbietern abschließen, um entsprechende Seiten aus dem Ausland zu sperren. Mit einem Gesetz sollen dann alle anderen Provider dazu verpflichtet werden. Es ist aber offen, ob es noch vor den Wahlen zu einer rechtlichen Regelung kommen wird. Verbreitung, Erwerb und Besitz von Kinderpornografie stehen schon jetzt unter Strafe.

Autor/in:
Angelika Rausch
 (DR)

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte: «Wir wollen nicht länger tolerieren, dass die Vergewaltigung von Kindern massenhaft im Internet in Deutschland abrufbar ist.» Die Initiative sei ein «Signal zur gesellschaftlichen Ächtung von Kinderpornografie». Die Bundesregierung hofft, durch technische Sperren die derzeit rund 300.000 bis 450.000 Zugriffe pro Tag in Deutschland auf derartige Angebote zu blockieren.

Dem Eckpunktepapier zufolge sollen staatliche Stellen den Providern eine Liste der zu sperrenden Seiten vorlegen. Allerdings will der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit europäischen Vorgaben die Internetanbieter nicht verpflichten, selbst nach illegalen kinderpornographischen Inhalten zu forschen.

Nach Angaben der Ministerin sind inzwischen 75 Prozent der Marktteilnehmer zu einer freiwilligen Vereinbarung bereit. Mit einem Abschluss rechnet sie um Ostern. Die technische Umsetzung dauere dann bis zu sechs Monate und liege bei den Anbietern. Die übrigen Provider, nämlich United Internet, Freenet und Versatel sollten gesetzlich zur Teilnahme gezwungen werden.

Vize-Regierungssprecher Thomas Steg sagte, eine Verabschiedung des Gesetzes noch in dieser Legislaturperiode «wäre ambitioniert». Er wolle dies aber derzeit «noch nicht ausschließen». Zunächst müssten sich die vier beauftragten Ministerien abstimmen, ob nur eine Änderung des Telemediengesetzes - für das das Bundeswirtschaftministerium verantwortlich ist - oder eine umfassendere Regelung nötig sei.

Von der Leyen warf der SPD vor, «in den letzten Wochen nicht hilfreich» gewesen zu sein. Mit Blick auf Einwände, dass es keine vollkommenen Sperren gebe, verwies sie darauf, dass 80 Prozent der User aus Neugier oder Zufall an kinderpornografische Seiten gelangten. Deshalb solle die Regelung auch den ersten Schritt verhindern. Das Bundeskriminalamt stehe weiter in der Verantwortung, gegen kinderpornografische Ringe vorzugehen.

Laut polizeilicher Kriminalstatistik steigt die Verbreitung von Kinderpornografie seit Jahren an - zwischen 2006 und 2007 um 111 Prozent. Bilder und Videos zeigten zunehmend Gewaltausübungen gegen Klein- und Kleinstkinder. Bei Verfahren würden nicht selten mehrere zehn- bis hunderttausend Bild- und Videodateien sichergestellt. Die britische Internet Watch Foundation (IWF) stellte 2007 fest, dass fast die Hälfte der Opfer jünger als sechs Jahre alt war und zehn Prozent jünger als zwei Jahre.

Experten: Sperrung von Kinderporno-Seiten «weitestgehend wirkungslos»
Der Hightech-Verband Bitkom sieht nur begrenzte technische Möglichkeiten für die geplante Sperrung von Kinderporno-Seiten. Bei technisch völlig unerfahrenen Nutzern könne dies gelingen, sagte der Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder am Mittwoch im Deutschlandfunk. Sobald jemand aber wisse, wie er durch ein sogenanntes Peer-to-Peer-Netzwerk unmittelbar auf einen PC oder per DNS-Adresse direkt auf eine Internetseite zugreifen könne, gelinge die Sperrung nicht mehr. «Dagegen können wir letztlich nichts tun», sagte Rohleder. Dieser Grundsatz gelte auch für die bereits praktizierte Sperrung entsprechender Internetseiten in Skandinavien und in der Schweiz.

Der Bitkom-Hauptgeschäftsführer begrüßte grundsätzlich die Initiative der Politik. Die Wirtschaft benötige jedoch eine klare gesetzliche Grundlage. Diese müsse auch Haftungsrisiken für die Internetanbieter ausschließen, falls durch die Sperrung einer Seite mit kinderpornografischem Inhalt auch andere Internetseiten betroffen wären.

Der Datenschutzexperte Andreas Pfitzmann hält die Pläne zur Sperrung von Kinderporno-Seiten im Internet für «weitestgehend wirkungslos». Wer wirklich an Kinderpornografie kommen wolle «und nicht mal aus Versehen auf eine Seite tappen», werde auch trotz der Sperren weiterhin vollen Zugriff auf solche Inhalte haben, sagte Pfitzmann am Mittwoch dem RBB-Hörfunksender Radio Eins. Es sei etwa möglich, eine verschlüsselte Verbindung zu einem Server im Ausland aufzubauen und sich von dort aus zu Servern verbinden zu lassen, die Kinderpornografie enthielten.

Der Professor für Datenschutz und Datensicherheit an der Technischen Universität Dresden kritisierte: «Die Ressourcen, die gebunden werden durch diese technisch völlig unsinnige Diskussion sind eine Riesen-Verschwendung.» Pfitzmann nannte den Kampf gegen Kinderpornografie im Internet «ziemlich frustrierend».

Am Nachmittag debattiert der Bundestag in einer Aktuellen Stunde auf Antrag der großen Koalition über das Thema.