Experten beraten Strategien zum Kampf gegen Kinderpornografie

"Wir brauchen mehr als Verträge"

Kinderprostitution und Pornografie: Weltweit sind 1,8 Millionen Kinder betroffen, erklärte Staatsminister Gerd Hoofe bei einer zweitägigen Konferenz zum Schutz vor sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche, die am Mittwoch in Berlin begann. Parallel versucht die Bundesregierung, noch in diesem Jahr ein strengere Gesetze auf die Beine zu stellen.

Autor/in:
Julia Grimminger
 (DR)

Acht kleine Hände halten ein Plakat. Die Kinder lächeln und blicken aus großen, schwarzen Knopfaugen. «Stoppt Kinderprostitution. Denn: Wir Kinder sind kostbar!» steht auf ihrem Banner. Die Szene wurde von der zwölfjährigen Ulrike gemalt, sie ziert eine Postkarte der Aktion «Hose zu & Finger weg», die sich gegen die Zwangsprostitution von Kinder wendet.

In einem sind sich die Kinderschutz-Organisationen einig: Die Bundesregierung muss ein umfassendes Konzept erstellen, um Kinder vor sexueller Gewalt zu schützen, heißt es in einem gemeinsamen Papier. Starken Applaus erhielt Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU), die punktgenau, aber zeitlich zufällig zur lange geplanten Konferenz konkrete Maßnahmen vorwies. Stunden zuvor hatte das Bundeskabinett Eckpunkte verabschiedet, die den Zugang zu Kinderpornografie im Internet erschweren sollen. Der Bund will deutsche Internet-Provider gesetzlich verpflichten, entsprechende Seiten aus dem Ausland zu sperren.

«Bis 2008 hatte ich vom Ausmaß dieser Szene keine Ahnung», gestand von der Leyen. Der Kongress gegen sexuelle Ausbeutung von Kindern im Herbst vorigen Jahres in Rio de Janeiro habe ihr die Augen geöffnet.
Doch Gesetze zu verabschieden, dauere lange. Sie habe aber bereits mit Netzanbietern über Sperren verhandelt. «75 Prozent der Marktteilnehmer haben sich unserer Initiative angeschlossen», so von der Leyen. Die übrigen solle dann das Gesetz zur Teilnahme zwingen.

«Internetsperren können nicht der einzige Akzent sein», betonte dagegen die Vorsitzende der Bundestags-Kinderkommission, die Grünen-Politikerin Ekin Deligöz. «Die Sperre hat zwar eine Signalwirkung, aber viele Probleme werden so nicht gelöst.» So werde damit nicht verhindert, dass Kinder missbraucht werden. Immerhin werde wenigstens eine Verbreitung durch das Internet erschwert.
Deligöz sprach sich dafür aus, auch die Forschung über Täter, Opfer und Formen des Missbrauchs voranzutreiben. «Wir brauchen mehr als Verträge - wir brauchen eine saubere gesetzliche Lösung.» So reichte das Ringen des Parlaments um eine rechtliche Regelung auch bis in die Konferenz hinein.

Umso wichtiger sei, dass Eltern ihre Schlüsselfunktion erkennen, betonte Sabine Herzig vom Deutschen Jugendinstitut. Sie müssten sich darüber informieren, welche Formen sexueller Gewalt Medien zeigen.
«Eine Möglichkeit wäre, Jugendliche als Dozenten für Medienpädagogik einzusetzen», schlug Herzig vor.

Über 57 Prozent der 12- bis 17-Jährigen könnten im Internet anklicken, was auch immer sie wollten, zitierte Petra Grimm von der Hochschule der Medien in Stuttgart eine Studie über die Mediennutzung von Kindern. Jedes dritte Kind habe dabei schon unangenehme Erfahrungen gemacht, bei den Mädchen sogar knapp die Hälfte. Das reiche von sexueller Belästigung über «Cyberstalking» und Ausgrenzungen bis hin zu «Cyberthreats», der offenen Androhung von Gewalt. «Gewalt im Internet kann man nicht mit dem Fernsehen vergleichen», so Grimm. Das sei eine ganz andere, in vielerlei Hinsicht viel brutalere Kategorie.

Der Direktor beim Bundeskriminalamt, Jürgen Maurer, sprach von einem starken gesellschaftlichen Konsens beim Thema Kinderpornografie.
Deshalb gehe es auch darum, Aktivität zu zeigen und die Zugänge zu einschlägigen Seiten zu minimieren. Die Dunkelziffer könne man aber gar nicht groß genug einschätzen, warnte er. «Die Zahlen, die wir haben, sind leider nur die Spitze eines Eisbergs.»