Die Flutkatastrophe stellt Bestatter vor Herausforderungen

"Zu Trauer kommen die Menschen nicht"

Über 179 Menschen sind in den Hochwassergebieten gestorben. In einigen Dörfern sind die Friedhöfe überschwemmt und daher unbenutzbar. Die Katastrophe ist auch eine gigantische Herausforderung für Bestatter und Trauerbegleiter.

Hochwasser-Folgen in Bad Münstereifel / © Oliver Berg (dpa)
Hochwasser-Folgen in Bad Münstereifel / © Oliver Berg ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ist man als Bestatter auf so eine hohe Zahl an Toten vorbereitet?

Claus Frankenheim (Trauerbegleiter und Bestatter in Düsseldorf): Ich denke, das ist keiner der Kollegen dort. Es gibt keine Großbetriebe in dem Maße, wie es sie vielleicht in Städten gibt. Vor allen Dingen tauchte ein Problem auf: Ich habe mit einem Betrieb gesprochen, bei dem auch wir unsere Bestattungswagen bauen lassen, in Mayen. Das ist unweit von Ahrweiler. Dort ist die Nachfrage nach Bestattungswagen natürlich exorbitant gestiegen, weil vielen Kollegen in den Tälern die Wagen abgesoffen oder weggespült worden sind.

DOMRADIO.DE: Und was macht man da als Bestatter? Wenn man jetzt nicht so schnell Wagen bekommt, fragt man dann bei Kollegen in den größeren Städten nach?

Frankenheim: Wie ich das mitbekommen habe, sind Kollegen eingesprungen und haben ausgeholfen aus dem Bereich Bonn oder aus den Nachbargebieten, die nicht überflutet waren. Wobei man natürlich sagen muss, dass das eigentliche Bergen der Verstorbenen, so ähnlich wie es bei der Brandkatastrophe am Düsseldorfer Flughafen, in der Regel durch Spezialeinsatzkräfte erfolgt. Man muss ja in die Gebäude rein, auch unter widrigen Verhältnissen. In der Regel macht das die Feuerwehr, die die Verstorbenen dann birgt. Die Verstorbenen wurden in diesem Fall in eine Halle gefahren, wie mir das zugetragen worden ist. Dort können die Kollegen dann hinfahren und die Verstorbenen für die Familien abholen.

DOMRADIO.DE: Jetzt ist es ja auch so, dass es in einigen Dörfern gar keine Friedhöfe mehr gibt oder dass sie so überspült sind, dass sie zurzeit unbenutzbar sind. Wie gehen denn die Kolleginnen und Kollegen vor Ort damit um? 

Frankenheim: Es gab schon unterschiedlichste Naturereignisse, die ich in meinen 30 Jahren als Bestatter erlebt habe. Es gibt Wirbelstürme, wo in Düsseldorf zum Beispiel auf größeren Friedhöfen Bäume umgefallen sind. Da wird das ganz pragmatisch gemacht. Man schaut, wo ist dann die betreffende Grabstelle? Bei einer Überflutung habe ich da keine Erfahrung, muss ich offen zugeben. Man muss dann irgendwie mit den Friedhofsplänen hingehen und sich daran orientieren, muss das ausmessen, kann dann die Grabstelle lokalisieren und kann dort eine Urnen- oder Sargbeisetzung machen. All das muss genau wie die andere Infrastruktur, wie Strom, wie Wasser, wie Abwasser erst einmal neu aufgesetzt werden.

DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie nicht nur Bestatter, sondern auch Trauerbegleiter. Bei den Familien, die jetzt zuhause in den Katastrophengebieten ihre Häuser verloren haben, die vielleicht alles, was sie haben und auch noch dazu ihre Angehörigen, verloren haben: Kann da in dem ganzen Stress überhaupt die Trauerverarbeitung einsetzen oder wird das noch Wochen und Monate dauern?

Frankenheim: Ich begleite dort einen Winzer. Wir haben uns über die Verbandsgemeinde Brohltal als Freiwillige gemeldet und den begleiten wir seit dem Samstag telefonisch. Das werde ich auch noch die nächsten Wochen und Monate machen. In einem Interview hat er gesagt, dass er panische Angst hatte. Er ist vor dem Wasser auf das Dach geflohen. Er war völlig geschockt und hatte Todesangst. Er hat seine gesamte Existenz verloren. Jetzt geht er erst einmal in einen unglaublichen Aktionismus über, indem er dort 13 bis 14 Stunden am Tag arbeitet. In acht Wochen fängt die nächste Ernte an. Wir haben jetzt geholfen, etwa 20.000 Flaschen in Kisten zu packen. Die werden im Moment gerade gewaschen. Dann werden sie sortiert und können vermarktet werden.

Zu Trauer, zu irgendeiner emotionalen Verarbeitung kommen die Menschen da im Moment nicht, keine Chance. Das kommt noch. Und das kommt mit Sicherheit noch in einem halben Jahr, in einem dreiviertel Jahr, dass die da vielleicht irgendwann mal in ein Loch fallen. Das kann ohne Weiteres sein. Sie haben alles verloren. Sie haben den Betrieb verloren, haben die Wohnung verloren. Sie haben ihr Haus verloren. Es ist alles unbewohnbar. Die Fahrzeuge, die er braucht um seine Weinernte reinzuholen. Es ist alles geflutet, es ist alles kaputt. Ich begleitet gerade die Reparatur eines Holders, ein Spezialweinbergschlepper, damit er in acht Wochen wieder damit fahren kann. Auf der anderen Seite ist eine riesen Freude über die unzähligen Helfer, die dort aufschlagen und einfach helfen. Das ist überwältigend.

Das Interview führte Gerald Mayer. 


Quelle:
DR
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