Zivilgesellschaft ist laut Studie "beeinträchtigt"

"Weckruf" für Deutschland

Zum siebten Mal hat Brot für die Welt die weltweite Lage der Zivilgesellschaft ausgewertet. Erstmals ist Deutschland abgestiegen. Im Fokus stand der Umgang mit Klima- und Umweltschützern. 37 Staaten landeten in der besten Kategorie.

Autor/in:
Alexander Riedel
Symbolbild: Caritas ringt auf Kongress um gesellschaftlichen Zusammenhalt  / © Jana Bauch (dpa)
Symbolbild: Caritas ringt auf Kongress um gesellschaftlichen Zusammenhalt / © Jana Bauch ( dpa )

Vor allem wegen des Umgangs mit Klimaaktivisten ist Deutschland im aktuellen "Atlas der Zivilgesellschaft" des Hilfswerks Brot für die Welt erstmals abgestiegen. 

Zivilgesellschaft in Deutschland gilt nicht mehr als "offen"

Demnach gilt die Zivilgesellschaft in Deutschland nicht mehr als "offen", sondern als "beeinträchtigt", wie die Organisation am Mittwoch in Berlin mitteilte. 

Letzte Generation blockiert Verkehr / © Andreas Stroh (shutterstock)
Letzte Generation blockiert Verkehr / © Andreas Stroh ( shutterstock )

Ein weiterer Grund dafür: Medienschaffende würden nicht ausreichend vor Gewalt auf Demonstrationen geschützt. 

Brot für die Welt kritisierte zudem eine Präventivhaft für Mitglieder der "Letzten Generation", die mit Protestaktionen wie der Blockade von Straßen für viel Aufsehen gesorgt hatten.

Schutz des Versammlungsrecht

Bund und Länder müssten das Versammlungsrecht umfassend schützen und keine pauschalen Versammlungsverbote erlassen, so die Organisation. "Dass Deutschland erstmals seit Beginn der Untersuchungen vor sieben Jahren herabgestuft wurde, sollte ein Weckruf sein", sagte die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks, Dagmar Pruin. 

Dagmar Pruin / © Hermann Bredehorst/Brot fuer die (epd)
Dagmar Pruin / © Hermann Bredehorst/Brot fuer die ( epd )

"Auch in Deutschland müssen wir Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Freiheitsrechte verteidigen und uns Hass und Hetze im Internet, auf der Straße und an jedem anderen Ort entgegenstellen."

Laut der siebten Ausgabe des "Atlas" lebten 2023 nur noch zwei Prozent der Weltbevölkerung in Staaten mit uneingeschränkten Freiheiten für die Zivilgesellschaft, darunter etwa Kanada, Neuseeland und die skandinavischen Länder. Das entspricht rund 170 Millionen Menschen. Im Vorjahr waren es noch drei Prozent gewesen. 

71 Prozent der Weltbevölkerung, also rund 5,6 Milliarden Menschen, lebten zuletzt in Ländern, in denen die Machthabenden die Zivilgesellschaft stark oder sogar komplett unterdrückten.

37 Staaten in der besten Kategorie

Die Auswertung stützt sich auf Bewertungen des zivilgesellschaftlichen Netzwerks Civicus, das die Freiheitsrechte in den einzelnen Ländern in fünf Kategorien von "offen" bis "geschlossen" einstuft. 37 Staaten landeten in der besten Kategorie, 43 in der Kategorie "beeinträchtigt" - neben Deutschland auch Italien und Japan. 

40 Länder "beschränken" den Handlungsraum der Zivilgesellschaft, darunter etwa die Ukraine und Großbritannien. In 50 Staaten wie der Türkei und Tunesien wird die Zivilgesellschaft "unterdrückt". "Geschlossen" ist die Einstufung für 27 Staaten, darunter Venezuela und China. 

Erhöhte Gefahr für Menschen, die sich für Klima und Umwelt einsetzen

Im Fokus des aktuellen "Atlas der Zivilgesellschaft" stehen Menschen, die sich für Klima und Umwelt einsetzen und wichtige Ressourcen wie Wasser und Land schützen wollen. Immer mehr Regierungen bedrohten und behinderten Aktivisten, beklagte Brot für die Welt. 

"Menschen, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzen, sind in vielen Ländern spürbar mehr Repressionen ausgesetzt als noch vor einigen Jahren. Sie gehören häufig zu indigenen Gemeinschaften und setzen sich gegen Landraub, Ölpipelines oder Fracking ein", sagte Pruin. "Wer für stärkeren Schutz von Wäldern und Lebensräumen oder für mehr Klimagerechtigkeit kämpft, wird immer öfter drangsaliert,
verfolgt, diffamiert oder gar ermordet."

Allein 2022 seien weltweit 177 Land-, Umwelt- und Klimaschützer getötet worden, die meisten von
ihnen in Lateinamerika. Ein Drittel seien Indigene gewesen.

Hilfswerk "Brot für die Welt"

Als weltweit tätiges Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland ist "Brot für die Welt" nach eigenen Angaben in mehr als 90 Ländern rund um den Globus aktiv. Gemeinsam mit lokalen Partnern hat das Hilfswerk den Ansatz, die Lebenssituation armer und ausgegrenzter Menschen zu verbessern. Zentraler Schwerpunkt der Arbeit ist die Ernährungssicherung. "Brot für die Welt"  unterstützt die arme und ländliche Bevölkerung darin, mit umweltfreundlichen und standortgerechten Methoden gute Erträge zu erzielen.

"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach (epd)
"Brot für die Welt" / © Jörg Sarbach ( epd )


 

Quelle:
KNA