Zehntausende nehmen am Aktionstag "Umfairteilen" teil

Kampf der Schere

Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer. Auf diese einfache Formel lässt sich das Ergebnis des neuen Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung bringen. Verschiedene Verbände wollen die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich nicht länger dulden. Zehntausende sind ihnen gefolgt.

Proteste auch vor dem Kölner Dom  / © Johannes Schröer (DR)
Proteste auch vor dem Kölner Dom / © Johannes Schröer ( DR )

Zehntausende Menschen haben am Samstag in 40 deutschen Städten für eine höhere Besteuerung von Reichen demonstriert. Insgesamt beteiligten sich nach Angaben der Veranstalter über 40.000 Teilnehmer am Aktionstag "Umfairteilen", darunter 6.000 in Bochum und 4.000 in Köln. Sie forderten eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes und der Erbschaftssteuer, die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer, höhere Steuern auf Unternehmensgewinne und Kapitalerträge sowie eine Finanztransaktionssteuer.



Zu den Protesten hatten Gewerkschaften, Sozialverbände und Parteien aufgerufen. Der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske forderte in Frankfurt, die Reichen stärker in die Pflicht zu nehmen. In der Finanzkrise hätten die Steuerzahler die Rettungsschirme bezahlt und damit die Vermögen der Reichen überhaupt erst gesichert. "Es ist an der Zeit, dass diejenigen, die davon profitiert haben, jetzt auch ihren Beitrag leisten", sagte Bsirske. "Es müssen diejenigen für die Krise zahlen, die es sich am ehesten leisten können, und nicht die Schwächsten."



Der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, sagte auf der zentralen Kundgebung für das Ruhrgebiet in Bochum, ohne Veränderungen in der Steuerpolitik sei die Finanzierung des Sozialstaats in Gefahr. In Köln erinnerte Schneider anschließend daran, dass Deutschland das viertreichste Land der Erde sei. "Es wäre ein Zeichen der Solidarität, wenn die Vermögenden etwas abgeben würden zur Sicherung des Sozialstaates", sagte er. Ein Sprecher der Occupy-Bewegung verlangte "eine tiefgreifende Reform des Geld- und Finanzsystems".



Annelie Buntenbach vom DGB-Bundesvorstand sagte in Bochum, Reiche könnten über eine höhere Erbschaftssteuer oder Vermögensabgaben stärker zur Kasse gebeten werden. Mit dem Steuerrecht aus dem Jahr 2000, als noch die Vermögenssteuer erhoben wurde, stünden Deutschland heute jährlich Steuermehreinnahmen von 50 Milliarden Euro zur Verfügung.



In Berlin gingen laut den Veranstaltern rund 5.000 Menschen auf die Straße und forderten eine "Millionärsabgabe" sowie "Mindestlöhne statt Lohndumping". In Hamburg bildeten nach Veranstalterangaben 7.000 Menschen eine Menschenkette. Als Zeichen für Umverteilungen wurden an Handelskammer, Börse und Banken symbolische Geldsäcke eingesammelt, die die Teilnehmer der Menschenkette weiterreichten zum Rathausmarkt. Dort wurden die "Geldsäcke" vor dem Rathaus gestapelt.



Der sozialistische griechische Oppositionsführer Alexis Tsipras rief in Hamburg zum gemeinsamen Kampf gegen die Sparpolitik in Europa auf. Die Trennung in Europa verlaufe nicht zwischen den nördlichen und südlichen EU-Staaten, sondern zwischen den Völkern und den Kapitalisten, sagte er. Das Geld der deutschen Arbeiter komme nicht den Griechen, sondern den Banken zugute. Große Kundgebungen mit über 1.000 Teilnehmern fanden auch in Bremen, München, Trier und Bayreuth statt.



Die Bundesvorsitzende der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands, Sabine Schiedermair, sagte, Christen könnten eine soziale Spaltung der Gesellschaft nicht hinnehmen. Sie forderte "ein Ende des Raubtierkapitalismus", der auf Kosten der Arbeitnehmer und ihrer Familien sowie sozial Schwacher die Kluft zwischen Arm und Reich verschärft habe.



Nach kürzlich bekannt gewordenen Zahlen aus dem neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hat sich das Privatvermögen in Deutschland in den vergangenen 20 Jahren auf rund zehn Billionen Euro mehr als verdoppelt und weiter konzentriert. Demnach verfügen zehn Prozent der Bevölkerung über 53 Prozent des Privatvermögens. Dagegen kommt die Hälfte der Bürger zusammen nur auf einen Anteil von einem Prozent. Das Nettovermögen des Staates sank im gleichen Zeitraum um 800 Milliarden Euro.