Armutsbericht der Regierung bestätigt Kluft zwischen Arm und Reich

Ungleiche Verteilung

Die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland geht immer weiter auseinander. Wie aus dem vierten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung hervorgeht, besitzen die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Wohlstands, während die untere Hälfte der Haushalte nur über gut ein Prozent des Nettovermögens verfügt. Zugleich schrumpft das Vermögen des Staates. Sozialverbände, SPD und Linke reagieren empört.

 (DR)

Der Armuts- und Reichtumsbericht, aus dem die "Süddeutsche Zeitung" zitiert, wird alle vier Jahre vorgelegt. Verantwortlich ist das Bundesarbeitsministerium. Am Montag ging die Analyse zur Abstimmung an andere Ressorts in der Regierung. Am 14. November soll der Bericht vom Bundeskabinett verabschiedet werden.



Während das Nettovermögen des Staates zwischen Anfang 1992 und Anfang 2012 um mehr als 800 Milliarden Euro geschrumpft ist, ist der private Wohlstand trotz der Finanzkrise kräftig gewachsen. So verdoppelte sich das Nettovermögen der privaten Haushalte von knapp 4,6 auf rund 10 Billionen Euro. Im Zuge der Rettungsmaßnahmen anlässlich der Finanz- und Wirtschaftskrise sei "eine Verschiebung privater Forderungen und Verbindlichkeiten in staatliche Bilanzen feststellbar", heißt es in dem Bericht.



Allein zwischen 2007 und 2012 hat sich das private Vermögen den Angaben zufolge um 1,4 Billionen Euro erhöht. Hinter diesen Zahlen stecke jedoch auch "eine sehr ungleiche Verteilung der Privatvermögen". So vereinten "die vermögensstärksten zehn Prozent der Haushalte über die Hälfte des gesamten Nettovermögens auf sich". Der Anteil dieses obersten Zehntels sei dabei "im Zeitverlauf immer weiter gestiegen". 1998 belief er sich laut der Zeitung auf 45 Prozent, 2008 war in den Händen dieser Gruppe der reichsten Haushalte bereits mehr als 53 Prozent des Nettogesamtvermögens.



Der Abstand zwischen West- und Ostdeutschland hat sich mittlerweile verringert. Westdeutsche Haushalte hatten aber im Schnitt immer noch ein Immobilien- und Geldvermögen von etwa 132.000 Euro, bei den ostdeutschen sind es nur 55.000 Euro.

Rufe nach Steuererhöhungen von Opposition und Verbänden



Forderungen nach Reichensteuer

Der Sozialethiker Prof. Peter Schallenberg sagte im domradio.de-Interview, dass es durchaus gute Gründe geben könne, sehr hohe Einkommen noch einmal extra zu besteuern, um dadurch Aufgaben des Staates wie z.B. einen Zuschuss zur Rentenversicherung möglich zu machen. Aus Sicht der katholischen Soziallehre brauche es eine Umverteilung von oben nach unten. Schallenberg warnte aber auch vor einer zu hohen Besteuerung, da diese die Motivation und Leistungsbereitschaft gefährde.



Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD, Joachim Poß, warf der Regierung unter Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Versäumnisse vor. "Vom Thema Mindestlohn bis hin zur Finanztransaktionssteuer: Nichts hat diese Regierung aus eigenem Antrieb angepackt." Das wirksamste Mittel gegen wachsende Ungleichheit wäre eine vernünftige Steuerpolitik, sagte Poß und forderte "eine moderate Steuererhöhung für Spitzenverdiener" sowie die Wiedereinführung der Vermögenssteuer.



Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, sprach von einem gesellschaftlichen Skandal. "Der soziale Zusammenhalt der Gesellschaft ist akut gefährdet, wenn sich nicht die Einsicht durchsetzt, dass dem Auseinanderklaffen der Schere endlich wirksam etwas entgegengesetzt werden muss", mahnte er. Auch er verlangte "eine deutliche Anhebung des Spitzensteuersatzes und eine Millionärsteuer". Auf der anderen Seite seien ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn und ein Verbot von Leiharbeit vonnöten.



Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung erklärte, eine stärkere Binnennachfrage in der Bundesrepublik würde dabei helfen, in Europa und der Welt die Ungleichgewichte in den Leistungsbilanzen zu verringern - und wäre damit ein wichtiger Beitrag zur Überwindung der Krise. Angesichts stagnierender Einkommen und eines wachsenden Niedrighlohnbereichs hätten die Deutschen mehr gespart, anstatt sich zur Erhaltung ihres Lebenstandards zu verschulden. Die Folge sei eine sinkende Binnenachfrage. Verstärkt hätten diesen Trend die Reformen des Sozialstaates, die mehr Eigenvorsorge verlangten.



Das vom Paritätischen Gesamtverband und unter anderem Attac getragene Bündnis "Umfairverteilen" plädierte für eine "rigorose steuerpolitische Kehrtwende" im Sinne einer stärkeren Belastung der reichen Haushalte. Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Ulrich Schneider, erklärte: "Wenn sich derart riesige Vermögen auf immer weniger Menschen in Deutschland konzentrieren, wie es der Bericht feststellt, ist für eine jede Regierung dringender Handlungsbedarf gegeben". Konkret fordert das Bündnis eine dauerhafte Vermögenssteuer sowie eine einmalige Vermögensabgabe für Reiche.