ZdK hofft auf Schützenhilfe für Sonntagsschutz

Europas Chancen mit Juncker

Vertrauenskrise und Flüchtlingsströme - das ZdK sieht den neuen EU-Kommissionspräsidenten Juncker vor großen Herausforderungen. Martin Kastler vom ZdK hofft, dass Juncker Schützenhilfe für den Sonntagsschutz leistet.

Jean-Claude Juncker (dpa)
Jean-Claude Juncker / ( dpa )

domradio.de: Welche Erwartungen sind an den neuen EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker geknüpft?

Martin Kastler (Europapolitische Sprecher des Zentralkomitees der deutschen Katholiken): Wir haben eine schwierige Zeit in Europa, viele Menschen haben bei der Europawahl ihr Kreuz nicht gemacht. Man kann sehen, dass hier eine Entfremdung zwischen den europäischen Institutionen, der Idee und den Menschen ist. Er ist seit vielen Jahren in der Europapolitik aktiv und kennt das Geschäft und die Institutionen von Innen. Daher haben wir als ZdK auch gewisse Forderungen aus christlicher Sicht, wo er Akzente setzen kann, um den Menschen wieder zurückzubringen und die Vertrauenskrise in eine echte Chance umzuwandeln. Das ist zum Beispiel die Frage demografischer Wandel - was passiert die nächsten Jahre in Europa? Da kann natürlich die Europäische Kommission, der Präsident auch Akzente setzen. Das ist die Frage auch in dem großen Bereich der Schuldenkrise - die soziale Ungleichheit, die Ungerechtigkeit hier auch wirklich etwas zu tun und natürlich dieses Megaprojekt: Wie gehen wir mit den Flüchtlingen, mit der Migration in den nächsten Jahren um? Da ist er an dieser Schlüsselstelle gefragt, auch die entsprechenden Akzente zu setzen, um mehr Vertrauen wieder in Europa zu bekommen.

domradio.de: Das heißt Sie wünschen sich mehr christliche Werte in der Politik, aber steht Juncker denn dafür?

Kastler: Auf alle Fälle. Er ist ein christsozialer Politiker und hat in vielen Bereichen in seinem damaligen Amt als Ministerpräsident in Luxemburg auch gearbeitet. Natürlich hat sich die Zeit auch verändert in den letzten 20 Jahren, das muss man einfach feststellen, leider. Das müssen wir als Christen sehen, das ist nicht nur in Deutschland so, das ist in vielen Ländern. Aber ich denke in den großen Linien ist er ein Politiker, der sich zur sozialen Marktwirtschaft, zur christlichen Soziallehre bekennt und dafür auch gekämpft hat. Ich nehme ein Beispiel, wo ich selber und viele andere aktiv sind, ist der Sonntagsschutz. Die Arbeitszeitrichtlinie ist ein Thema, das ihm am Herzen liegt, das weiß ich aus vielen Gesprächen. Er kann natürlich an dieser Schlüsselposition bei der Arbeitszeitrichtlinie auch dieses Beispiel des Sonntagsschutzes entsprechend aufgreifen. Ich glaube, das wäre ein deutliches Zeichen zu sagen, wir stehen für unsere Kultur, wir stehen auch für eine Zukunft auf dem christlichen Wertefundament.

domradio.de: Jetzt haben Sie eben gesagt, viele Menschen sind heute eher EU-kritisch. Juncker ist ja ein EU-Urgestein. Kann das nicht auch bedeuten, dass er in EU-verkrusteten Strukturen denkt?

Kastler: Er ist ein Urgestein, ja, das stimmt, aber das heißt natürlich auch, dass er sehr gut vernetzt ist und weiß, wie die Arbeit in Europa läuft. Das ist ja keine Einbahnstraße, der eine sagt es, der andere macht es, sondern wir arbeiten auf verschiedensten Ebenen über die Mitgliedsstaaten, über das Europa-Parlament und die EU-Kommission. Da zu wissen, wie die Arbeitsweise geht, das ist das entscheidende, gerade für diese Schlüsselstelle des europäischen Kommissionspräsidenten. Von daher ist es kein Nachteil, dass er so lange in diesem Geschäft ist, sondern ich glaube, es ist ein großer Vorteil, dass er sich so gut auskennt. Von daher denke ich, dass er die Chance nutzen wird, für Europa zu werben, für ein besseres Europa und dort auch mitarbeiten wird, dieses Vertrauen zurückzugewinnen. Das muss doch die wirklich wichtigste Aufgabe sein. Wenn dieses Vertrauen in die Institutionen nicht gestärkt wird in den nächsten paar Jahren, dann habe ich große Sorge um Europa.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR