ZDF verbreitet seit einem Jahr das islamische "Forum am Freitag"

Plattform für Muslime

Die Aufregung hat sich in Luft aufgelöst. Als das ZDF vor einem Jahr ein spezielles Online-Angebot für Muslime einrichten wollte, kanzelte Markus Söder in seiner Eigenschaft als CSU-Generalsekretär das Vorhaben noch als "Moscheesender" ab: Die Parallelgesellschaft und keinesfalls die Integration werde gefördert. Heute gibt es viel Lob. Kritiker bemängeln allenfalls einen zu "defensiven Unterton".

 (DR)

Die ZDF-Verantwortlichen jedenfalls ziehen eine positive Bilanz. Chefredakteur Nikolaus Brender spricht von einem einmaligen Ort für Diskussion und Dialog zwischen den Kulturen und Religionen. Und Programmdirektor Thomas Bellut betont, das Forum gebe wichtige Aufschlüsse über Migranten und ihre Religion. Das Forum ist völlig anders konzipiert als das altbewährte "Wort zum Sonntag", bei dem ein christlicher Theologe im Auftrag der Kirchen eine Ansprache hält. Dagegen ist das Angebot für die Muslime ein journalistisch gestaltetes und von daher viel umfangreicheres Produkt - in alleiniger Verantwortung des Senders, weil der Islam keine Körperschaft des öffentlichen Rechts in Deutschland ist.

Mal sachlich mal polemisch
Im Zentrum des wöchentlichen Beitrags steht ein Interview mit einem Vertreter des Islam. Hinzu kommen erklärende Texte etwa über Mohammed oder den Koran. Ein weiteres Element - und für die Macher inzwischen das "Herzstück" - ist der moderierte Chatroom, in dem jedermann zu den Interviewthemen Stellung beziehen kann. So geht es darin mal sachlicher und mal polemischer um sogenannte Ehrenmorde oder die Frage, ob die Frau Eigentum des Mannes ist.

Verantwortlich für das Angebot ist die ZDF-Redaktion "Kirche und Leben", der dafür eigens zwei Redakteure zugeordnet wurden. Kamran Safiarian und Abdul-Ahmad Rashid - selbst Muslime - geben Vertretern slamischer Verbände eine breite Plattform. So kann der Generalsekretär des Zentralrats der Muslime, AimanMazyek, die Ansicht vertreten, der Islam kenne Religionsfreiheit. Es kommen aber auch islamkritische Stimmen zu Wort wie der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid. Der Islamwissenschaftler, der den Wortlaut des Koran nicht als ein Diktat Gottes betrachtet und sich für eine Deutung der Texte im historischen Kontext stark macht, gilt in seinem Heimatland als Abgefallener und lebt im holländischen Exil. Und der indische Regisseur Parvez Sharma spricht über seinen Film "A Jihad for Love", der die Probleme homosexueller Muslime thematisiert und für mehr Akzeptanz dieses nach traditioneller islamischer Lehre sündhaften Lebensstils wirbt.

Erfolgreiche Bilanz
Nach dem ersten Jahr zeigt sich Pilters zufrieden mit der Resonanz. Der Fernsehrat mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Bereiche habe das Angebot für gut befunden. Insgesamt verzeichnet das "Forum am Freitag" laut ZDF pro Monat 170.000 Seitenaufrufe. Bis zu 12.000 Mal werden die Videofilme nachgefragt. Das moderierte Diskussions-Forum kommt inzwischen auf mehr als 38.000 Beiträge; sie kommen von Islamkritikern ebenso wie von Muslimen und dem Islam wohlgesonnen gegenüberstehende Nicht-Muslime. Für rege Beteiligung sorgen laut Pilters vor allem Reizthemen wie Moscheebau oder Kopftuch. Weniger Echo lösten muslimisch-theologische Themen aus.

Fragezeichen macht die Erlanger Medienexpertin Sabine Schiffer hinter das Angebot. Zwar wertet sie es als positives Signal, dass es neben dem christlichen "Wort zum Sonntag" auch ein Angebot für Muslime gebe. Letztlich handle es sich aber um ein Nischenprogramm. Für das Ziel Integration wäre es aus Sicht Schiffers besser, muslimische Positionen im normalen Hauptprogramm einzubeziehen, etwa wenn in Talkshows ethische Themen behandelt werden. Inhaltlich wirft sie den Forum-Machern vor, im Wesentlichen das allgemeine Misstrauen gegenüber Muslimen zu wiederholen. Von Ausnahmen abgesehen herrsche dabei ein defensiver Unterton vor - nach dem Motto: "Wir zeigen mal, wie brav der Islam und die Muslime sind."