ZDF-Fernsehfilm über die Wannseekonferenz

Mord als logistisches Problem

Ohne filmische Dramatisierungen zeigt Matti Geschonnek in seinem Fernsehfilm zum 80. Gedenktag an die Wannseekonferenz das unmenschliche Denken der Verantwortlichen für den Holocaust. Ein Film über Massenmord in sachlichem Ton.

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Von Katharina Dockhorn
Besprechungsszene des Films "Die Wannseekonferenz", Ausstrahlung am 24. Januar 2022 um 20.15 Uhr im ZDF / © Julia Terjung/ZDF (dpa)
Besprechungsszene des Films "Die Wannseekonferenz", Ausstrahlung am 24. Januar 2022 um 20.15 Uhr im ZDF / © Julia Terjung/ZDF ( dpa )

Jeder Platz wird von einem Offizier mit einem Namenskärtchen versehen. Das karge Tischarrangement ergänzt eine Sekretärin mit Notizblock und Bleistift. Die letzten Vorbereitungen für eine zwanglose Besprechung zur "Endlösung der Judenfrage", wie es die Einladung vermerkt, werden an diesem Morgen des 20. Januar 1942 getroffen. Die handverlesenen Teilnehmer wurden von Reinhard Heydrich in die abseits gelegene Villa am Wannsee geladen. Der Ort gibt dem Beschluss später den Namen.

Mit einer Einführung aus dem Off in den historischen Kontext beginnt Matti Geschonnecks Fernsehfilm "Die Wannseekonferenz". Er stützt sich auf die protokollierten Diskussionen um die Organisation des Massenmordes und den aktuellen Stand der Geschichtswissenschaft, für die nun auch Archive in der ehemaligen Sowjetunion zugänglich sind.

Deren Wissensstand beziehen Magnus Vattrodt und Paul Mommertz in ihr Drehbuch mit ein. Der Film verzichtet auf Musik, um die Zuschauer nicht zu manipulieren. Das Zweite strahlt den 105-minütigen Beitrag zum 80. Gedenktag an den Beschluss am 24. Januar um 20.15 Uhr aus. Um 22.00 Uhr folgt die Dokumentation "Die Wannseekonferenz".

Erstmals ein Film ohne Gegenspieler

Film und Fernsehen wagten sich bereits mehrmals an die Fiktionalisierung dieses Ereignisses. 1984 inszenierte Heinz Schirk einen Fernsehfilm mit prominenter Besetzung - Jochen Busse, Peter Fitz, Martin Lüttge, Robert Atzorn. 2001 standen Kenneth Branagh, Colin Firth und Tom Hiddleston in der Version von Frank Pierson vor der Kamera. In beiden Filmen wird ein Gegenspieler aufgebaut, der vorsichtig gegen den brutalen Mord-Vorschlag argumentiert.

Geschonneck verzichtet auf diesen grundlegenden dramaturgischen Kniff, wozu auch die das Projekt beratenden Historiker rieten. Einzig Wilhelm Stuckart macht in diesem Film einige kleine Einwände zum Ausmaß der Verfolgung gemäß der von ihm mit verfassten Nürnberger Rassentheorien. Allerdings nur, um sein eigenes Lebenswerk zu retten.

Erschießen belastet die Soldaten

Grundlegender Widerspruch gegen die Planungen zum Massenmord bleibt aus - die Männer eint die Absicht, eine effektivere Methode des Tötens als die systematischen Erschießungen zu finden, denen bereits Millionen Menschen jüdischen Glaubens im Osten Europas zum Opfer fielen. Die Belastungen für die beteiligten Soldaten, die Symptome des posttraumatischen Belastungssyndroms zeigen, werden als zu hoch eingeschätzt.

Das Konzept geht dank der schauspielerischen Qualität des Ensembles - unter anderem Maximilian Brückner, Fabian Busch, Godehard Giese und Peter Jordan - und einem Drehbuch auf, das dem statischen Geschehen Dynamik gibt. Am Wannsee treffen Logistiker des Vernichtungskrieges aufeinander, für die die Menschen jüdischen Glaubens nichts als Zahlen sind, die es effizient und systematisch zu dezimieren gilt. Entsprechend bleibt ihr Ton sachlich, die Kühle der Männer und ihre distanzierte Sprache hinterlassen beim Zuschauer ein mulmiges Gefühl.

Zwei Jahre Arbeit am Buch und ein persönlicher Hintergrund

Der Verzicht auf einen klassischen Handlungsaufbau sei ein Wagnis, weiß Produzent Oliver Berben, der mehr als vier Jahre lang nach dem passenden Konzept suchte. Zwei Jahre lang entwickelte er gemeinsam mit Geschonneck, den Autoren und Historikern das Buch.

Für den Regisseur kam ein sehr persönlicher Aspekt hinzu: Sein Vater, der Schauspieler und Kommunist Erwin Geschonneck, ging 1933 in den Widerstand und wurde 1939 verraten. Er überlebte mehrere KZ und den Untergang der "Cap Arcona", auf der mehr als 4.000 Häftlinge gen Westen gebracht werden sollten.

Ein künstlerisches Meisterwerk über ungeheure Unmenschlichkeit

Durch seine nüchterne Machart unterstreicht der Film erneut die These von der Banalität des Bösen. Geschichte wurde in nüchterner Atmosphäre von durchschnittlichen Männern geschrieben, die zuvor verschiedene Methoden des Massenmordes ausprobieren ließen und die Erfahrungen bündelten. Sie sind sich vielleicht der Dimension ihres Beschlusses bewusst, halten ihn aber für richtig und notwendig.

Diese Ungeheuerlichkeit und Unmenschlichkeit herausgekitzelt zu haben und es mit dem Wissen zu kombinieren, dass auf die Perversion des Denkens und der Sprache mörderisches Handeln folgt, zeigt die hohe künstlerische Qualität des Filmes.

Quelle:
KNA