Wurde der indische Menschenrechtler Swamy Opfer von Hackern?

"Der Pater wurde reingelegt"

Sein Fall sorgte international für Empörung. Der indische Jesuit und Aktivist Stan Swamy starb 2021 in U-Haft. Er habe mit Terroristen zusammengearbeitet, so der Vorwurf. Waren die "Beweise" inszeniert? Der Versuch einer Einordnung.

Autor/in:
Johannes Pernsteiner
Stan Swamy SJ (SJ)
Stan Swamy SJ / ( SJ )

Einer der bekanntesten katholischen Menschenrechtsaktivisten Indiens, der im Vorjahr in Haft verstorbene Jesuit Stan Swamy, ist offenbar Opfer eines Hackerangriffs geworden, durch den "belastendes Beweismaterial" auf seinen Computer gelangte.

Tastatur / © Ninma (shutterstock)

Zu diesem Schluss kommt ein US-amerikanisches Forensik-Unternehmen, das mit einem ausführlichen Bericht Anschuldigungen der terroristischen Verschwörung und Aufwiegelung gegen den Ordensmann widerlegt.

Führende Kirchenvertreter Indiens forderten am Donnerstag auf der Online-Plattform mattersindia.com von Indiens Regierung zumindest nachträglich eine "bedingungslose Entschuldigung". Die Regierung sei für den Tod Pater Swamys in Untersuchungshaft verantwortlich.

Jesuiten verlangen Rehabilitierung

"Unsere Regierung soll sagen, wer hinter dem Hacking steckt und auf wessen Anweisung ein unschuldiger Priester angeklagt wurde, der sich für die Rechte der unterdrückten indigenen Bevölkerung eingesetzt hat", forderte der Anwalt und Priester A. Santhanam, Vorsitzender des Indischen Anwaltsforums für Ordensleute und Priester.

Vonseiten des Jesuitenordens verlangte Pater Cedric Prakash gegenüber dem vatikanischen Missionspressedienst "Fides" (Mittwoch) eine "vollständige Rehabilitierung von Pater Swamy als völlig unschuldige Person". Der von der Firma "Arsenal Consulting" erstellte Bericht belege, "dass Pater Swamy reingelegt wurde". Man werde die Ergebnisse nun den indischen Ermittlern übergeben.

Medizinische Versorgung verweigert

Der Jesuit Swamy war am 8. Oktober 2020 gemeinsam mit 15 weiteren Personen verhaftet worden. Man warf ihnen vor, sie hätten mit Maoisten kollaboriert, seien an gewalttätigen Unruhen im indischen Dorf Bhima-Koregaon 2018 beteiligt gewesen und hätten ein Komplott zur Ermordung von Premierminister Narenda Modi geschmiedet.

Symbolbild Gefängnis / © holwichaikawee (shutterstock)
Symbolbild Gefängnis / © holwichaikawee ( shutterstock )

Swamy, der die Anschuldigungen stets betritt, wurde daraufhin neun Monate lang ohne Gerichtsverfahren aufgrund der indischen Anti-Terror-Gesetze festgehalten. Der schon zuvor an Parkinson, einer Hörbehinderung und anderen Krankheiten leidende Geistliche erkrankte in dieser Zeit an Covid-19.

Angemessene medizinische Versorgung wurde ihm verweigert, bis sich sein Zustand dramatisch verschlechterte. Der 83-Jährige starb am 5. Juli 2021 in einer Klinik in Mumbai.

Dokumente auf Computer Swamys gefunden

Grundlage für die Anschuldigungen durch die indische Staatsanwaltschaft waren 44 Dokumente, die auf den Computern der Angeklagten gefunden wurden, darunter die sogenannten "Briefe an die Maoisten".

Bei der aktuellen Untersuchung durch "Arsenal Consulting" konnte den Angaben zufolge rekonstruiert werden, dass Hacker über die Schadsoftware NetWire fünf Jahre lang Zugriff auf Swamys PC und dessen Daten hatten, seine Passwörter und E-Mails kannten, und dabei auch selbst Daten platzierten. Darunter hätten sich auch jene Dokumente befunden, die kriminelle Verbindungen nahegelegt und später vor Gericht als entscheidende Beweisstücke gegolten hätten, heißt es in dem aktuellen Bericht.

Fall hat international für Aufsehen gesorgt

Der Fall des Ordensmannes, der sich in Indien für die Rechte von Stammesangehörigen starkmachte, hatte auch international für Aufmerksamkeit gesorgt. Das internationale Hilfswerk "Kirche in Not" setzte sich zusammen mit zahlreichen Organisationen für den Jesuiten ein. In den USA plädierte vor allem der US-Kongressabgeordnete Juan Vargas, der vormals selbst dem Jesuitenorden angehörte, für eine gründliche Überprüfung des Falls.

Im Juli 2022 brachte Vargas eine entsprechende Resolution im US-Repräsentantenhaus ein. Darin wurde Indien unter anderem aufgefordert, den Tod des Paters unabhängig untersuchen zu lassen.

Damals schon wurde der Verdacht geäußert, indische Sicherheitsbehörden würden Schadsoftware einsetzen, um Aktivisten ins Visier zu nehmen und belastende Beweise auf Computern unterzubringen.

Jesuitenorden

Die Jesuiten sind die größte männliche Ordensgemeinschaft der katholischen Kirche. Gründer der "Gesellschaft Jesu", so die offizielle Bezeichnung in Anlehnung an den lateinischen Namen "Societas Jesu" (SJ), ist der Spanier Ignatius von Loyola (1491-1556).

Jesuiten sind keine Mönche; sie führen kein Klosterleben und tragen keine Ordenskleidung. Neben Armut, Ehelosigkeit und Gehorsam verpflichten sie sich in einem vierten Gelübde zu besonderem Gehorsam gegenüber dem Papst. Zudem legen sie ein Zusatzversprechen ab, nicht nach kirchlichen Ämtern zu streben.

Iesum Habemus Socium ("Wir haben Jesus als Gefährten") - das Emblem der Jesuiten / © Markian Pankiv (shutterstock)
Iesum Habemus Socium ("Wir haben Jesus als Gefährten") - das Emblem der Jesuiten / © Markian Pankiv ( shutterstock )
Quelle:
KNA