Wovon hängt die Gültigkeit der Taufe ab?

Zwei unterschiedliche Sichtweisen

Nachdem er über 20 Jahre lang inkorrekt und damit offenbar ungültig getauft hatte, hat ein Priester in den USA sein Amt niedergelegt. Worauf es bei der Taufe ankommt, erklärt Liturgiewissenschaftler Alexander Saberschinsky.

Symbolbild: Taufe / © Ruslan Lytvyn (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Statt "Ich taufe dich" hatte der Priester in den USA gesagt "Wir taufen dich". Das ist ja eine ziemlich große Welle, die da jetzt losgetreten wurde. Und der Priester hat jetzt tatsächlich sein Amt niedergelegt. Wie sehen Sie die ganze Sache?

Prof. Alexander Saberschinsky (Dozent der Erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule Köln und Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbischöflichen Generalvikariat): Das ist tatsächlich eine Riesenwelle. Also seit gestern, sobald ich irgendeinen Theologen treffe, wird sofort dieses Thema aufgerufen. Und das muss man sich auch mal vorstellen, was das für Folgen hat, wenn jetzt wirklich Tausende davon betroffen sind, deren Taufe ungültig ist. Vor allen Dingen rein kirchenrechtlich heißt das ja auch, dass alle Sakramente, die ich in der Folge empfangen habe, auch nicht gültig waren. Also das ist wirklich ein riesen Fass, was da jetzt aufgegangen ist. Aber die Provokation dieser ganzen Fragestellung liegt eigentlich in einem Spannungsverhältnis, das wir in zwei unterschiedlichen Sichtweisen haben: der kirchenrechtlichen Sichtweise und einer eher pastoralen Sichtweise. Ich möchte gleich vorneweg sagen: Beide Sichtweisen sind wichtig, aber sie sind auch unterschiedlich.

Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti (DR)
Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti ( DR )

Kirchenrechtlich ist es einfach sehr wichtig, dass wir auch formal Dinge regeln. Dazu gehört auch die Gültigkeit, denn die Gültigkeit gibt dem Menschen auch Sicherheit, dass da nicht irgendein Käse passiert, sondern dass das alles seine Richtigkeit hat, wie das dort vollzogen wird. Das gilt auch für so eine Taufe. Zur Gültigkeit der Taufe gehört zunächst einmal, dass mit Wasser getauft wird. Und zum Zweiten gehört dazu, dass man die sogenannte Taufformel mit dieser trinitarischen Formulierung "im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes" benutzt. Und eigentlich kommt sogar noch etwas Drittes hinzu: Derjenige, der tauft, da geht es jetzt in dem Fall hier um diesen Priester, der muss das auch in der Absicht tun, in der die Kirche das tut. Er muss die gleiche Absicht haben, wenn er jemanden tauft, wie die Absicht, die auch die Kirche mit der Taufe verbindet.

Und jetzt kommt der Clou: Das hat der Priester ja ausdrücklich getan, hat sogar sein Bischof gesagt. Er ist hier also ohne bösen Willen davon abgewichen. Er wusste nicht, dass das ein Fehler ist. Für solche Fälle kennt das Kirchenrecht einen schönen Grundsatz. Ich darf es mal zunächst auf Latein sagen: Ecclesia supplet. Damit ist gemeint: Die Kirche ergänzt, wo einzelne Menschen einen Fehler gemacht haben. Insofern ist das Kirchenrecht auch gar nicht immer nur formal, sondern hat hier tatsächlich auch so einen pastoralen Akzent.

DOMRADIO.DE: Aber warum wird dann noch über einzelne Worte wirklich in dieser Taufname gestritten? Speziell jetzt "wir" statt "ich"?

Saberschinsky: Ja, der Wortlaut ist tatsächlich schon wichtig, weil der deutet, was hier passiert. Jetzt stelle man sich mal vor, es kommt jemand, der mit katholischer Kirche nichts anfangen kann, in diesen Raum rein und sieht, wie da einem Kind Wasser über den Kopf gekippt wird. Ja, was soll das sein? Sollen die Haare gewaschen werden oder so was? Natürlich nicht – für uns ist das selbstverständlich. Aber diese begleitenden Worte geben dem Zeichen erst die entscheidende Deutung. Die entscheidende Deutung hier in dem Zusammenhang ist, dass jemand im Namen des dreifaltigen Gottes getauft wird. Und daran festzuhalten ist auch deswegen so wichtig, weil uns das ja auch ökumenisch verbindet. Wir erkennen ja gegenseitig die Taufen der anderen christlichen Kirchen an. Deswegen ist es ja auch sehr wichtig, dass man sich hier daran hält.

Jetzt in dem konkreten Fall ging es aber gar nicht um die trinitarische Formel. Ich würde sagen, das ist das allerwichtigste bei diesem Taufspruch, sondern es geht darum, dass der sagte "Wir taufen ..." – an Stelle von "Ich taufe ..." Und jetzt sagt der zuständige Bischof, und das ist auch eine berechtigte theologische Position, wenn hier von "ich" gesprochen wird, dann spricht hier eigentlich indirekt sozusagen Jesus Christus, der der Taufende ist, weil Sakramente nicht in die Verfügung von Menschen gestellt werden.

Und jetzt hat der Priester "wir" gesagt und wollte damit zum Ausdruck bringen, dass er im Namen der Gemeinde tauft. Jetzt muss man allerdings theologisch dazu sagen: Wenn wir von "wir" als Kirche sprechen, dann geht es ja nicht nur um einen Zusammenschluss von Menschen, der christlich gesonnen ist, sondern da geht es ja eigentlich um die Kirche vor Ort. Und Kirche bedeutet eigentlich immer eine Gemeinschaft, die in Verbindung mit Christus steht. Dann handelt hier, wenn die Kirche hier tauft, ja sozusagen der Leib Christi, der sich konkretisiert in den Gläubigen mit Christus als ihrem Haupt. Also insofern ist Christus schon mit dabei, wenn er in einem kirchlichen Sinne hier "wir" gesagt hat.

DOMRADIO.DE: Also hat der Priester ja eigentlich nichts verkehrt gemacht. Warum sind dann die Taufen trotzdem ungültig?

Saberschinsky: Ja, das ist die große Frage. Sind die Taufen ungültig? Scheinbar ist ja Rom hier bereits involviert. Und Rom darf so was entscheiden. Also rein kirchenrechtlich kann ich, muss ich nicht, aber kann ich mich auf den Standpunkt stellen: Mit guten Gründen ist diese Formel vorgeschrieben. Und wenn man sich daran nicht hält, dann ist doch der ganze Akt aus formalen Gründen nicht gültig. Also ob das so ist, das muss der Vatikan entscheiden. Das kann man so oder so entscheiden. Aber theologisch geht es ja nicht nur um einen formalen Akt. Und die Taufe ist ja nicht nur ein Rechtsakt, sondern das machen sich viele gar nicht klar, so ein Sakrament, auch die Taufe wird ja immer im Kontext eines Gottesdienstes gefeiert. Die Nottaufe ist vielleicht ein Sonderfall. Aber es gibt ja eigentlich nicht die Taufe außerhalb eines Gottesdienstes. Und den Gottesdienst muss ich wirklich als Deutungshintergrund für das ganze Geschehen mit hineinnehmen. Da passiert ja sehr viel mehr als nur Übergießen mit Wasser und Sprechen der Taufformel. Was oft nicht im Blick ist, aber theologisch total entscheidend sind zum Beispiel die biblischen Lesungen, welche immer man dann nimmt und das Segensgebet über das Wasser.

DOMRADIO.DE: Warum?

Saberschinsky: Hier werden die Menschen in einen viel größeren Heilszusammenhang gestellt. In den biblischen Lesungen spricht ihnen Gott ja sein Heil zu ihm. Im Segensgebet erinnern sich die Beter noch mal an die Erlösung und an die Erschaffung der Welt. Da wird ein ganz großer Bogen geschlagen von Erschaffung der Welt bis hin zur Erlösung durch Jesus Christus. Und dann bitten sie anschließend, dass der Heilige Geist jetzt mit seiner Kraft das Taufwasser erfüllen möge, damit dieser Mensch mit Christus ganz eng verbunden wird. Und wenn dann der Priester im Anschluss die Taufformel spricht, dann hatte er hier einen ganz anderen Kontext, nämlich geht es dann nicht nur um einen Rechtsakt, und da geht es auch nicht um Magie mit einer Formel wie bei so einem Zauberspruch, der richtig gesprochen werden muss, damit die Wirkung eintreten kann. Hier geht es um ganz etwas anderes. Wir stehen nämlich im Kontext der Heilszusage Gottes. Und wenn dann der Priester die Taufformel spricht, dann spricht er eigentlich dem Täufling zu: Du bist jetzt in diese innerste Beziehung Gottes, in diese dreifaltige Beziehung bist du mit hineingenommen. Und der Priester spricht zwar diese Heilszusage aus, aber letztendlich geht sie von Gott selber aus.

Und aus diesem theologischen Grund darf meines Erachtens das Kirchenrecht an dieser Stelle auch tatsächlich pastoral sein und sagen: Wir als Kirche und als Glaubensgemeinschaft in Verbindung mit Christus fangen das auf, wo so ein einzelner Amtsvertreter/Amtsträger und in diesem Fall ja sogar ohne böse Absichten Fehler gemacht hat. Wie gesagt: Ecclesia supplet. So würde ich das sehen.

Das Interview führte Michelle Olion.

Taufe

Die Taufe ist das erste und grundlegende Sakrament. Durch die Taufe wird der Mensch in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen. Die Taufe begründet die besondere, unauflösbare Gemeinschaft des Getauften mit Christus.

Symbolbild: Taufe / © Ruslan Lytvyn (shutterstock)
Quelle:
DR
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