Wormser Gotteshaus hat eine 1000 Jahre alte Geschichte

Brandanschlag auf Synagoge

Die Synagoge in Worms ist in der Nacht zum Montag nur knapp einem Brandanschlag entgangen. Sie ist eines der historisch bedeutsamsten jüdischen Gotteshäuser in Deutschland, dessen Baugeschichte 1.000 Jahre zurückreicht.

 (DR)

Auf die Synagoge in Worms ist in der Nacht zu Montag ein Brandanschlag verübt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurde das Gebäude nach ersten Ermittlungen an mehreren Stellen mit einer brennbaren Flüssigkeit angezündet. Der Feuerwehr gelang es, den Brand schnell zu löschen, sodass die Synagoge nicht schwer beschädigt wurde. Lediglich die Wände wurden durch die Flammen rußgeschwärzt. Verletzt wurde niemand. Die Polizei schließt einen rechtsradikalen Hintergrund nicht aus. Eine Sonderkommission ermittelt.

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) verurteilte den Brandanschlag. "Wir werden einen solchen Angriff auf eine Synagoge nicht hinnehmen", sagte Beck in Mainz. Der oder die Täter müssten wissen, dass eine solche Tat gegen ein jüdisches Gotteshaus eine Grenzüberschreitung sei, "die wir mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen werden", fügte der Ministerpräsident hinzu.

Anwohner hatten die Polizei alarmiert. Die Fahndung nach den Tätern verlief aber zunächst ohne Erfolg. Die Synagoge in Worms ist den Angaben zufolge nicht permanent bewacht. Die Polizei hat eine Sonderkommission gebildet und ermittelt in alle Richtungen, wie ein Sprecher sagte. Die Polizei bittet um weitere Zeugenhinweise.

1000 Jahre alte Geschichte
In Speyer, Mainz und Worms entwickelte sich zwischen dem 11. und dem 13. Jahrhundert ein geistiges und kulturelles Zentrum des Judentums, das "rheinische Jerusalem". Was dort gelehrt wurde, hatte Ausstrahlung auf alle jüdischen Gemeinden Europas. Rabbiner und Vorsteher der drei Städte schlossen ein Bündnis, diskutierten gemeinsam religiöse Fragen und Belange ihrer Gemeinden und entschieden Streitfälle.

Die Wormser Synagoge ist damit eine der ältesten Deutschlands. Schon 1034 wurde sie von Jakob ben David und seiner Frau Rahel gestiftet. An ihr lässt sich zugleich die an Katastrophen reiche Geschichte des Judentums in Deutschland erzählen. Denn kulturelle Blüte, ein weitgehend autonomes Gemeindeleben und eigene kultische Einrichtungen wie Synagoge, Mikwe, Metzgerei und Backhaus verhinderten nicht, dass die gesellschaftliche Stellung der Juden auch am Rhein während des gesamten Mittelalters immer gefährdet blieb.

Gleich der erste Kreuzzug endete 1096 in einer Katastrophe. Die Juden in den rheinischen Städten fanden nur unzureichenden Schutz vor den Kreuzfahrern bei den bischöflichen Stadtherren, die sie zuvor umworben hatten. In Worms richteten Kreuzfahrer und Pöbel ein Blutbad an. Mehr als 800 Menschen starben laut Chroniken; die Synagoge wurde zerstört. Um 1174 wurde sie im romanischen Stil der Wormser Dombauschule wieder aufgebaut.

Neue Pogrome gab es im 14. Jahrhundert, als die durch die Pestepidemie der Jahre 1348-1350 ausgelösten Judenverfolgungen die kulturelle Blüte des Wormser Judentums endgültig beendete. Zwar wurde die dabei stark beschädigte Synagoge schon 1355 wieder aufgebaut, und erneut bildete sich 1353 eine jüdische Gemeinde in Worms, die jedoch an ihre alte Bedeutung nicht mehr anknüpfen konnte.

Vorerst zu Ende ging die Geschichte der Wormser jüdischen Gemeinde mit den Nationalsozialisten. 462 Juden wurden in den Konzentrationslagern ermordet. Schon 1938 wurde die mittelalterliche Synagoge niedergebrannt. Wegen ihrer geschichtlich-religiösen Bedeutung wurde sie 1961 wieder aufgebaut.

Bis heute gibt es in Worms keine eigene jüdische Gemeinde mehr. Die in Worms lebenden Juden gehören der Jüdischen Kultusgemeinde Rheinland-Pfalz an, deren Sitz in Mainz ist. Erst in neuerer Zeit nutzt die jüdische Gemeinde Mainz die Wormser Synagoge wieder verstärkt zu Gottesdiensten.

Stärker als in Mainz und Speyer ist in Worms das städtebauliche Erbe der jüdischen Gemeinde noch sichtbar. In der Judengasse lässt sich durch die geschlossene Bauweise mit vielen historischen Gebäuden und Toren heute noch das Leben im mittelalterlichen Ghetto nachempfinden. Neben der Judengasse liegt der Synagogen-Komplex, bestehend aus der Männer- und Frauen-Synagoge, dem rituellen Bad, der aus dem 17. Jahrhundert stammenden Schule und dem jüdischen Museum.

Mehr als 2.000 Grabsteine aus den zurückliegenden 1.000 Jahren haben sich auf dem jüdischen Friedhof erhalten, der Heiliger Sand genannt wird. Der älteste Grabstein trägt die Jahreszahl 1076. Auf die Herkunkt der mittelalterlichen jüdischen Einwanderer aus Italien oder Spanien weisen Namen wie Bella, Berna, Bonafila, Speranza. Viele jüdische Lehrer sind hier begraben. Die Grabsteine des Rabbi Meir und seines Schülers Salomo Wimpfen sind zu Wallfahrtstätten des Judentums der ganzen Welt geworden.