DOMRADIO.DE: Im kommenden Jahr feiert BAP das 50-jährige Bestehen. Jetzt startet der Vorverkauf für das große Konzert in Köln. Da wird natürlich viel spekuliert: Was werden Sie spielen? Eine Art "Best of" der letzten Jahrzehnte?
Wolfgang Niedecken (Musiker): Das kann man so sagen. Wir haben da wirklich ein Luxusproblem, unser Repertoire ist nämlich riesig. Ich bin gerade dabei, ein Programm zusammenzustellen, bei dem ich davon ausgehe, dass die meisten Stücke bekannt sind. Von den etwa 30 Songs, die wir spielen werden, ist vielleicht mal einer dabei, den nicht jeder sofort erkennt. Aber grundsätzlich kann ich aus dem Vollen schöpfen. Wichtig ist für mich vor allem, dass das Konzert einen guten dramaturgischen Bogen hat. Die Geschichten müssen stimmen und die Leute müssen etwas damit am Hut haben. Aber ich liebe dieses Luxusproblem.
DOMRADIO.DE: Vor etwa 50 Jahren, als Sie zum ersten Mal in diesem Stadion gespielt hatten, gab es ganz andere Probleme auf der Welt: Damals standen Themen wie der Kalte Krieg, der NATO-Doppelbeschluss oder die Friedensbewegung im Mittelpunkt. Ist es für Sie eine Art Zeitreise, im kommenden Jahr wieder an diesem Ort aufzutreten, in einer Zeit, in der erneut große Krisen die Welt beschäftigen?
Niedecken: Unser Kunstgeschichtsprofessor hat uns beigebracht, dass sich die Kunstgeschichte wie eine Wendeltreppe verhält. Sie wiederholt sich immer, aber immer auf einer anderen Ebene. Es passiert immer wieder Ähnliches, aber eben in einem anderen Kontext. Das Blöde ist nur, dass man offensichtlich nicht bereit ist, aus dem, was vorher passiert ist, zu lernen. In der Welt ist so viel geschehen und besonders in den Medien hat sich vieles verändert. Ich habe dabei immer einen Satz von Wolf Biermann im Kopf: "Nur wer sich ändert, bleibt sich treu."
Ich bin heute nicht mehr in allem der Meinung wie vor 49 Jahren. In manchen Punkten hat sich meine Sicht verändert oder sagen wir, sie hat sich mit neuen Erkenntnissen gewandelt oder angepasst. Sonst ist man stur. Also, nur wer sich ändert, bleibt sich treu. Ich würde den Kriegsdienst weiterhin verweigern. Ich will nicht in irgendeinem Krieg landen, geführt von Despoten, die mich als Kanonenfutter missbrauchen. Das mache ich nicht mit.
Aber ich bin auch kein Friedenstäubchen. Ich weiß schon, dass man sich in der Ukraine wehren muss. Das ist halt der Lauf der Dinge. Gerade in der heutigen Zeit passiert alles extrem schnell, vor allem durchs Internet. Man kommt kaum noch hinterher.
DOMRADIO.DE: Papst Leo XIV. versucht Friedensinitiativen zu bringen. Was halten Sie von diesem Einsatz der Kirche?
Niedecken: Ich finde das gut und wunderbar. Mein erster Eindruck von Papst Leo XIV. war jedenfalls ein guter. Ich bin gespannt, wie er sich weiterentwickelt. Gerade für viele Länder des globalen Südens ist es enorm wichtig, dass es einen klar denkenden Papst gibt. Jemanden, der eine Art Leitplanke für die Menschen bietet.
DOMRADIO.DE: Hinter Ihrer Bühne gibt es so etwas wie einen kleinen Altar, eine Art Schrein. Das hat fast etwas Christliches, wenn da nicht der Alkohol wäre. Was genau passiert dort eigentlich?
Niedecken: Das hing alles damit zusammen, dass wir damals im Proberaum ein Bild von Keith Richards, Ron Wood und Bob Dylan hängen hatten. Davor standen ein paar Grappaflaschen, falls wir mal wieder zu fettig gegessen hatten. Und irgendwann haben wir gesagt: "Das Ding muss mit auf Tournee!"
Und dann ist das mit auf Tournee gekommen. Daraus wurde dann fast schon so eine Art "Club-Altar": ein Flightcase, richtig abschließbar, mit den beiden Grappaflaschen drin. Und für die "sieben Zwerge", also unsere Truppe, gab es jeweils ein kleines Grappaglas. Vor dem Auftritt wurde dann ordentlich gehuldigt; natürlich nur mit einer homöopathischen Dosis Grappa.
Das Interview führte Bernd Knopp.