Wolfgang Niedecken spricht über Glauben und alte BAP-Songs

"Danke, Chef, jotjemaht"

Wolfgang Niedecken will mit seiner Band BAP bei der ZEITREISE-Tour alle Songs der Alben von 1981 und 1982 spielen. Im Interview spricht der Musiker vom Glauben, seiner Sicht auf die Lage in der Welt und Gespräche mit dem "Chef".

Wolfgang Niedecken mit Moderator Tommy Millhome / © Sonja Geus (DR)
Wolfgang Niedecken mit Moderator Tommy Millhome / © Sonja Geus ( DR )

DOMRADIO.DE: Ein Song aus dem Album von 1982 "vun drinnen noh drusse" heißt "Wenn et Bedde sich lohne däät", wenn das Beten sich lohnen würde. Im Song heißt es – auf hochdeutsch übersetzt – unter anderem: "Vielleicht beneide ich auch die, die glauben können. Doch was soll's, ich jage doch kein Phantom". Kannst du das nach über 40 Jahren immer noch mit der gleichen Überzeugung singen wie damals? 

Wolfgang Niedecken / © Sonja Geus (DR)
Wolfgang Niedecken / © Sonja Geus ( DR )

Wolfgang Niedecken (Sänger der Kölsch-Rock-Gruppe BAP): Das kann ich immer noch mit der gleichen Überzeugung singen, weil mein Glaube nicht festgemacht ist an so einem speziellen Kinderglauben.

Ich bin Agnostiker. Ich halte alles für möglich. Gott ist für mich eine Instanz, an dem ich mich orientieren kann, egal ob der ein Mann ist oder eine Frau. Ich habe das 2008 in dem Lied "Kron oder Turban" viel besser formuliert.

Wolfgang Niedecken

"Dass im Namen Gottes irgendwelche Kriege geführt werden, hat sich der Herrgott bestimmt nicht überlegt."

Also ich bin kein Atheist, aber ich weiß nicht, wie der Gott aussieht. Und ich habe großen Respekt vor Glauben und glaubenden Menschen. Ich glaube nur, dass der Glaube sehr oft missbraucht wird. Das sehen wir gerade im Nahen Osten. Das ist furchtbar. Dass im Namen Gottes irgendwelche Kriege geführt werden, hat sich der Herrgott bestimmt nicht überlegt. 

DOMRADIO.DE: Es gab damals zu den Schallplatten auch noch ganz aufwendige Booklets von euch. Da wurden die kölschen Texte nicht nur auf hochdeutsch übersetzt, es gab auch Erläuterungen zu den Songs. Und bei "Wenn et Bedde sich lohne däät" schriebst du 1982: "Vielleicht ging es darum, die Trümmer meiner katholischen Erziehung und meiner Messdiener-Zeit zu begraben." Welche Trümmer waren das? 

Kruzifix an einer Wand / © Julia Steinbrecht (KNA)
Kruzifix an einer Wand / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Niedecken: Ich war im katholischen Internat in Rheinbach im Konvikt St. Albert und bin dort auch missbraucht worden. Das war schon harter Tobak. Da gab es einen Pater, einen Sadisten, der hat reihenweise Jungs geprügelt und sich an ihnen vergriffen. Ich war einer von denen. Also da musste ich schon einiges verarbeiten. Aber ich habe es geschafft, das zu verarbeiten.

DOMRADIO.DE: In dem Lied "Verdamp lang her" heißt es im imaginären Gespräch mit deinem Vater: "Du hast geglaubt, dass wer im Himmel auf dich wartet. 'Ich gönne es dir', habe ich gesagt."

Niedecken: Genau das ist diese agnostische Haltung. Ich halte es wirklich für möglich, dass es irgendwo einen Gott gibt. Ich lehne das keinesfalls komplett ab. Manchmal ist es sogar ein bisschen komisch, da fühle ich mich wie Don Camillo. Ich glaube, wir haben in jedem Raum bei uns zu Hause eine Art Kreuz hängen.

Wolfgang Niedecken

"Das sind kleine Gebete, an denen ich erkenne, dass etwas von meinem Glauben übrig geblieben ist."

Und manchmal rede ich mit dem "Chef", so nenne ich ihn immer, und manchmal bedanke ich mich bei ihm, wenn etwas gut funktioniert. Ich sage: "Danke, Chef, jotjemaht." Das sind kleine Gebete, an denen ich erkenne, dass etwas von meinem Glauben übrig geblieben ist.

DOMRADIO.DE: Sprichst du mit dem "Chef", bevor du auf die Bühne gehst.

Niedecken: Auch schon mal. 

DOMRADIO.DE: Der Song "Wenn et Bedde sich lohne däät" endet mit den Worten: "Wir sind alle zusammen auf dem Kreuzweg, ungefähr da, wo man das dritte Mal fällt." Leider aktueller denn je, 40 Jahre später. 

Wolfgang Niedecken

"Die meisten Menschen wollen doch nur ihr kleines Glück haben."

Niedecken: Dieses Stück haben wir nach 35 Jahren zum ersten Mal wieder auf der letzten Tour gespielt. Da habe ich auch schlucken müssen, mein lieber Mann. Da wurde es dann ganz still und anschließend gab es einen riesen Applaus. Ich bin nicht der einzige, der nicht versteht, warum die Menschen so bescheuert sind.

Die meisten Menschen wollen doch nur ihr kleines Glück haben. Sie wollen sehen, dass es ihrer Familie, ihren Kindern gut geht. Menschen sind gar nicht so gierig, wie es immer aussieht. Sie wollen einfach nur ihr kleines Glück haben. Sie wollen keine Kriege.

Dass man da immer noch nicht aus der Geschichte gelernt hat, dass es immer noch Populisten gibt, auf die man reinfällt, das kann ich nicht verstehen. Das hat alles mit politischer Bildung und mit Verblödung zu tun. Die Leute hören nicht mehr richtig hin, was man ihnen erzählt. Auch das Aufblühen der AfD kann ich nicht fassen. Es ist furchtbar. Es macht einen ratlos. 

DOMRADIO.DE: Was gibt dir Hoffnung in dieser Zeit? 

Niedecken: Die Menschen, mit denen ich zusammen bin. Gott sei Dank kenne ich eine Menge Menschen, die auch versuchen, nicht komplett zu resignieren. Ich kenne eine Menge Stehaufmännchen.

Das Interview führte Tommy Millhome.

Info: Die Termine zur Tour ZEITREISE 81/82 gibt es auf BAP.de.

Quelle:
DR