Jordanisches Projekt will ein Leben in Würde für Flüchtlinge

Wo das "Jahr der Barmherzigkeit" Früchte trägt

Im "Garten der Barmherzigkeit" wird gesägt, genäht, geerntet. Das Projekt unterstützt irakisch christliche Flüchtlinge in Jordanien, die auf ihre Ausreise in andere Länder warten.

Autor/in:
Andrea Krogmann
Der "Garden of Mercy", einem Mikroprojekt der Caritas Jordanien zur Unterstützung irakischer Flüchtlinge / © Andrea Krogmann (KNA)
Der "Garden of Mercy", einem Mikroprojekt der Caritas Jordanien zur Unterstützung irakischer Flüchtlinge / © Andrea Krogmann ( KNA )

Im Mai 2016, mitten im von ihm selbst ausgerufenen "Jahr der Barmherzigkeit", spendete Papst Franziskus den Erlös aus dem vatikanischen Expo-Pavillon in Mailand zur Schaffung von Arbeitsplätzen für irakische Flüchtlinge in Jordanien. Entstanden ist der "Garten der Barmherzigkeit" bei Amman. 

Seither wird auf dem Gelände des katholischen "Our Lady of Peace Center" in den westlichen Ausläufern der jordanischen Hauptstadt unter Anleitung von Caritas Jordanien gesägt, geschraubt, genäht und geerntet.

Produktion und Erholung in einem

Der Regen der vergangenen Nacht hat die Luft gereinigt. Es riecht nach Rosmarin und Sägemehl. Holz ist das dominierende Element in der idyllischen Anlage: Mit Holzzäunen im Landhausstil eingefasste Holzstege führen durch den Olivenhain. Alle paar Meter terrassenförmige Buchten mit Holzstühlen aller Art. Das Grün der akkurat gezogenen Kräuterreihen leuchtet dramatisch auf dem satten Gelb-Rot des lehmigen Bodens.

Was wie eine Kombination aus Aussteigerdorf und idyllischer Country Lodge wirkt, ist gewissermaßen Showroom, Produktionsstätte und Naherholungsgebiet in einem: Die Outdoor-Möbel aus alten Paletten stammen aus der Holzwerkstatt des Projekts. 

Die Kräuter werden je nach Saison und Bedarf frisch oder getrocknet, gemahlen oder in Mischungen angeboten. Die Olivenbäume liefern die Grundzutat der Naturseifen, die in dem Container hinter den Sitzgruppen entstehen.

Unterstützung für geflohene Christen

Einen Container weiter arbeiten Sandy, Sally und Diana mit Nadel und Faden. Neben Stickereien auf Beuteln und Kissen fertigen sie Taschen aus alten Caritas-Werbeplanen. Das "Upcycling" steht bei den Kunden hoch im Kurs. "Wegen der Weihnachtsbasare sind die Lager gerade leer", entschuldigt sich Projektleiterin Sarah Twal.

Zwei Frauen bei Näh- und Stickarbeiten im "Garden of Mercy" / © Andrea Krogmann (KNA)
Zwei Frauen bei Näh- und Stickarbeiten im "Garden of Mercy" / © Andrea Krogmann ( KNA )

"Cash for work", Bares für Arbeit, heißt das Konzept, mit dem das katholische Hilfswerk die vor islamistischen Extremisten geflohenen Christen unterstützt. 

Für die neun Männer und vier junge Frauen, die im Barmherzigkeitsgarten eine Beschäftigung gefunden haben, sind die umgerechnet 280 Euro monatlich, etwa die Hälfte des jordanischen Durchschnittseinkommens, eine wichtige Hilfe. 

Aufs Gesamt gesehen bleiben sie ein Tropfen auf den heißen Stein: 55.000 Iraker sind laut Caritas offiziell als Flüchtlinge registriert; die tatsächliche Zahl wird auf 200.000 geschätzt.

Für die Betroffenen ist es dennoch eine wichtige Unterstützung, sagt Caritas-Mitarbeiter Laith Salaita. "Vor der Eröffnung der Werkstätten kamen die Flüchtlinge für Geld oder Gutscheine. Heute fragen sie nach Arbeit - das kleine Einkommen erlaubt ihnen ein Leben in Würde."

Krieg und Flucht beenden Ausbildungen junger Menschen

Offiziell arbeiten dürfen die Flüchtlinge nach ihrem Rechtsstatus in Jordanien nicht. Stattdessen warten sie auf ihre Auswanderung nach Australien oder in die USA. Während viele der Männer studiert haben oder im Irak sogar Familienunternehmen besaßen, haben Krieg und Flucht der Ausbildung der jungen Frauen ein vorzeitiges Ende bereitet. 

"Wenn wir nach Australien auswandern können, möchte ich die Schule beenden und dann zur Polizei", sagt Sandy, die 15 war, als sie vor drei Jahren mit der Familie vor den Islamisten floh. Sally und Diana wollen ihre Studien wieder aufnehmen: Rechnungswesen und Programmierung.

Seife im Trocknungsprozess im "Garden of Mercy" / © Andrea Krogmann (KNA)
Seife im Trocknungsprozess im "Garden of Mercy" / © Andrea Krogmann ( KNA )

Dass seine Mitarbeiter alle auf Abruf fremder Botschaften stehen, sorgt das Caritas-Team wenig. "Unsere Trainings geben ihnen Kompetenzen mit auf den Weg, die ihnen helfen können, wenn sie endlich ihre Ausreisegenehmigungen bekommen", sagt Laith Salaita. 

Wenn es sich finanzieren lässt, möchte Sarah Twal den "Garten der Barmherzigkeit" am liebsten ausbauen. An Ideen mangelt es der Jordanierin nicht: Zum Frühjahr soll zu Möbeln, Öl, Pickles und Co. auch handbestickte Kleidung zum Sortiment hinzukommen.

Letztlich, sagt sie, helfe das Projekt nicht nur den Irakern, sondern auch den Caritas-Mitarbeitern selbst. "Ich lerne von den Flüchtlingen, das Leben auch in Zeiten zu schätzen, in denen es hart ist", sagt Sarah Twal. "Ich habe alles - und trotzdem klage ich. Dann denke ich an das Lächeln dieser Menschen, deren Leben so viel härter ist als meins!"

Caritas Jordanien

Der Islam ist in Jordanien Staatsreligion. Verschiedene christliche Konfessionen stellen etwa sechs Prozent der Bevölkerung.  Zwei Prozent entfallen auf sonstige Religionen. Die Römisch-katholische Kirche in Jordanien ist eine christliche Minderheit im mehrheitlich islamischen Land. Die einzige Diözese der Melkiten des Landes ist die Erzeparchie Petra und Philadelphia. Zusätzlich gibt es das Lateinische Vikariat in Amman, das dem Lateinischen Patriarchat von Jerusalem untersteht.  In Jordanien leben über 50 000 Katholiken. 

Der "Garden of Mercy", einem Mikroprojekt der Caritas Jordanien zur Unterstützung irakischer Flüchtlinge / © Andrea Krogmann (KNA)
Der "Garden of Mercy", einem Mikroprojekt der Caritas Jordanien zur Unterstützung irakischer Flüchtlinge / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
KNA