Wissenschaftler sieht in Bibel menschliche Resilienz 

Gerechter Ausgleich als Ziel

Die Bibel ist aus Sicht des Alttestamentlers Thomas Hieke "eine Sammlung uralter Antwortversuche" auf Notsituationen. In modernen Worten könne man sie als "Reservoir an menschlicher Resilienz" betrachten, sagte Hieke.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )

Deshalb fänden sich in der Bibel auch sehr vielfältige Vorstellungen von Gott, erklärte Hieke im Interview des Portals katholisch.de. "Die Menschen haben ganz unterschiedliche Erfahrungen mit diesem Gott gemacht, an den sie glauben. Eben auch, dass dieser Gott fern, abwesend, dunkel und undurchschaubar ist."

Die Bibel

Bibel ist die Schriftensammlung, die im Judentum und Christentum als Heilige Schrift gilt. Auf den Schriften fußt jeweils die Religionsausübung. Die Bibel des Judentums ist der dreiteilige Tanach, der aus der Tora, den Nevi’im und Ketuvim besteht. Diese Schriften entstanden seit etwa 1200 v. Chr. im Kulturraum der Levante und Vorderen Orient und wurden bis 135 n. Chr. kanonisiert. Das Christentum übernahm alle Bücher des Tanachs, ordnete sie anders an und stellte sie als Altes Testament (AT) dem Neuen Testament (NT) voran.

Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch (KNA)
Eine Bibel liegt aufgeschlagen auf einem Tisch / ( KNA )

Bis heute verunsicherten Naturkatastrophen, Krankheiten und Kriege die Menschen, sagte Hieke, der soeben das Buch "Bibel um-gehen" herausgegeben hat. Wer sich mit schwierigen Bibelstellen befasse, könne eine Weitung des eigenen Gottesbildes erleben. "Manchmal hat man sich Gott ein wenig zurechtgemacht: immer griffbereit, aber nicht störend. Wenn man sich das eigene Gottesbild so zurechtmacht, entspricht es aber nicht mehr Gott."

"Vorsicht mit Unmittelbarkeit"

Bei der Bibellektüre komme es auf Nuancen an - und auch auf den Zusammenhang, in dem die jeweiligen Geschichten entstanden seien. So gebe es dort Texte, die nicht aus der Sieger-, sondern aus der Opferperspektive verfasst seien, erklärte Hieke. "Das, was ich als störend empfinde, kann unter Umständen ein grundlegendes Problem sein, das es bis heute gibt und für das man auch heute keine Lösungen hat."

Vorsichtig sein müsse man mit einer vermuteten "Unmittelbarkeit" der Bibel, fügte der Wissenschaftler hinzu. "Aus der Bibel abzuleiten, man müsse Blutrache üben", wäre beispielsweise "eine eindeutig falsche Unmittelbarkeit. Gleichwohl bleibt der biblische Impuls der, dass nach einem Mord nicht einfach zur Tagesordnung übergegangen werden kann."

Gerechter Ausgleich nicht schmerzfrei

Andere biblische Geschichten zeigten, dass Gott anders eingreife, als der Mensch es erwarte. Viele Menschen hofften weiterhin auf einen Gott, "der die Gerechtigkeit, die im Zusammenleben der Menschen in Schieflage geraten ist, wiederherstellt", betonte Hieke.

Aus heutiger Perspektive wirkten manche Bibelstellen "gewalttätig und irrational", doch das Ziel sei letztlich ein gerechter Ausgleich. "Und das geht nicht schmerzfrei - das wissen wir auch aus unserem Alltag."

Quelle:
KNA