Wirtschaftsethiker kritisiert die Zollmaßnahmen von Donald Trump

"Langfristig und mittelfristig dumm wie auch unethisch"

Es ist eine Atempause im Zollstreit. US-Präsident Donald Trump hat die Zusatzzölle nach Turbulenzen an den Börsen vorerst ausgesetzt. Der Ethiker Peter Schallenberg hält Zölle für ethisch legitim, kritisiert aber das Vorgehen der USA.

Washington: US-Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses / © Mark Schiefelbein (dpa)
Washington: US-Präsident Donald Trump spricht während einer Veranstaltung zur Ankündigung neuer Zölle im Rosengarten des Weißen Hauses / © Mark Schiefelbein ( dpa )

DOMRADIO.DE: US-Präsident Donald Trump hat mit der Ankündigung hoher Einfuhrzölle in der vergangenen Woche eine Talfahrt an den Börsen ausgelöst. Nach heftigen Turbulenzen an den Finanzmärkten hat er am Mittwoch die gerade erst in Kraft getretenen Zusatzzölle für 90 Tage ausgesetzt. Wenn man sich jetzt nicht jeden Tag mit Wirtschaftspolitik befasst, ist man doch sehr überrascht und noch mehr verwirrt. Wie wirkt das derzeitige politische Handeln rund um das Thema Zoll für Sie?

Peter Schallenberg, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät Paderborn / © KSZ (KNA)
Peter Schallenberg, Moraltheologe an der Theologischen Fakultät Paderborn / © KSZ ( KNA )

Prof. Dr. Peter Schallenberg (Lehrstuhl für Moraltheologie der Theologischen Fakultät Paderborn): Das ist in der Tat schwer zu durchschauen und für Laien fast gar nicht mehr zu durchblicken. Ich glaube, es ist günstig, wenn man sich erst Gewissheit über die Grundlagen verschafft, um die es geht. Was bedeuten eigentlich Handelsbilanz, Handelsbilanzdefizit und Handelsüberschüsse? Dann sieht man sehr schnell, dass es sich im Grunde um eine veraltete Maßnahme aus Zeiten der Industrialisierung handelt. Wir kennen das aus den USA, Ende des 19. Jahrhunderts, der Zeit der Industrialisierungen. Das Ziel damals war, industrielle Kapazitäten aufzubauen. 

Peter Schallenberg

"Dann sieht man sehr schnell, dass es sich im Grunde um eine veraltete Maßnahme aus Zeiten der Industrialisierung handelt." 

Wir kennen es aus Deutschland in der Bismarckzeit genauso. Länder schotten sich ab, um die Produktion eigener Produkte – sei es im landwirtschaftlichen Bereich, sei es im industriellen Bereich – zu fördern, sodass die Konsumenten im Land gedrängt werden, einheimische Produkte zu kaufen und nicht ausländische, preiswertere Produkte. Die ausländischen, preiswerten Produkte macht man künstlich durch solche Zollerhebungen teuer. Dadurch möchte man die inländischen Konsumenten eben zu größerer Nachfrage bringen und industrielle Produktion aufbauen. Das steht im Hintergrund. 

Wenn Sie nach der wirtschaftsethischen Bewertung fragen: Grundsätzlich gehen wir von dem guten Bild freier Märkte aus, die aber eine bestimmte grundsätzliche Regulierung haben, zugunsten der Umwelt, zugunsten des Klimas, zugunsten der Verbraucher, aber nicht nur der Lebenden, sondern der nachfolgenden Generationen auch. Deswegen ist ein sehr starkes Eingreifen des Staates immer eher skeptisch zu betrachten. 

DOMRADIO.DE: Zölle sind weltweit verbreitet. Die EU zum Beispiel erhebt auch Zölle auf Autos aus China zum Beispiel. Sind Zölle also für sich genommen ethisch durchaus zu rechtfertigen? 

Die US-Regierung hat einen Zollstreit begonnen. Los Angeles: Container der taiwanesischen Containerschifffahrtsgesellschaft Yang Ming Marine Transport Corporation stapeln sich im Hafen von Los Angeles. Im Hintergrund ist die Long Beach International Gateway Bridge zu sehen.  / © Damian Dovarganes/AP (dpa)
Die US-Regierung hat einen Zollstreit begonnen. Los Angeles: Container der taiwanesischen Containerschifffahrtsgesellschaft Yang Ming Marine Transport Corporation stapeln sich im Hafen von Los Angeles. Im Hintergrund ist die Long Beach International Gateway Bridge zu sehen. / © Damian Dovarganes/AP ( dpa )

Schallenberg: Durchaus. Sie haben ein gutes Beispiel gebracht. Wir erheben Zölle für Autos aus China und dafür gibt es mehrere Gründe. Wir könnten auch für andere Produkte Zölle erheben, beispielsweise für Teppiche aus manchen Ländern, in denen es Kinderarbeit gibt. 

Aber beispielsweise bei Zöllen für Autos aus China sagen wir, dass die unter schlechten Bedingungen hergestellt sind. Wir sagen, sie sind möglicherweise unethisch hergestellt. Wir können auch sagen, wir möchten unsere heimische Industrie schützen und selbst unsere gute, qualitätsvolle Autoindustrie und Auto-Zulieferindustrie erhalten und nicht durch Dumpingpreise, also durch Billigimporte kaputt machen lassen. Da ist zunächst nichts daran zu kritisieren. Die Frage ist im Grunde nur, wo die größeren Vorteile liegen? 

Peter Schallenberg

"Wir können auch sagen, wir möchten unsere heimische Industrie schützen und selbst unsere gute, qualitätsvolle Autoindustrie und Auto-Zulieferindustrie erhalten."

Das ist im Grunde am Ende immer eine Güterabwägung. Wenn man den Verdacht hat, es geht nur darum – ich sage das jetzt mal sehr plakativ – den "großen Mann" zu markieren, also sozusagen einen Handelskrieg zu führen, anstelle von blutigen Kriegen, einen Standortvorteil zugunsten der nationalen Identität zu gewinnen, dann wäre das allerdings ebenso langfristig und mittelfristig dumm wie auch unethisch. 

Aber es kann natürlich durchaus Gründe für Zölle geben. Grundsätzlich müssen die Gründe aber sehr stark sein, damit die Beweislast getragen werden kann. 

DOMRADIO.DE: US-Präsident Trump begründet seine Zölle immer wieder mit einem enormen Handelsdefizit und dass das unfair gegenüber seinem Land sei. Zugleich wirkt Trump recht offen für Deals. Das heißt, er stellt Länder niedrigere oder gar keine Zölle in Aussicht. Dafür müssen die Länder ihm in anderen Dingen entgegenkommen. Wie sehen Sie als Wirtschaftsethiker dieses ganze "Deal-Gehabe"? 

Schallenberg: Das ist eine gute, aber schwierig zu beantwortende Frage. Grundsätzlich würde man in der Ethik betonen, dass es gut ist, sehr sauber zu unterscheiden, welche Instrumente man einsetzt und die Ziele zu benennen, sodass also die Motivationen deutlich werden. Es geht schlicht und einfach um die Frage, wie man die heimische Wirtschaft stark machen kann? Das ist ethisch sehr legitim. Wie kann man die heimischen Verbraucher möglichst gut mit Waren versorgen? Das ist ebenfalls ethisch legitim. 

Peter Schallenberg

"Deswegen sind Handelsschranken, geschweige denn Handelskriege, am Ende besonders nachteilig für schwächere Handelspartner."

Aber es geht natürlich auch darum, durch Handel schwächere Länder zu stärken, zu stützen, Produktionen in schwächeren Ländern aufzubauen. Und da ist dies natürlich ein entscheidender ethischer Punkt: Wir würden aus Sicht der sozialen Marktwirtschaft sagen, ein möglichst freier Handel führt, wenn Monopole, Kartellbildungen vermieden werden, auf lange Sicht zum größtmöglichen Nutzen möglichst vieler, auch der schwächeren Staaten. Deswegen sind Handelsschranken, geschweige denn Handelskriege, am Ende besonders nachteilig für schwächere Handelspartner, für schwächeren Länder. Wir haben jetzt bisher nur von relativ starken Handelspartnern, also China, Deutschland, der EU, Kanada, Mexiko, den USA gesprochen. 

Von schwächeren Ländern, die auf den Zugang zum Weltmarkt angewiesen sind, war noch gar nicht die Rede. Was werden asiatische oder afrikanische Staaten zu diesen Zollschranken sagen? 

EU-Fahnen wehen am 6. November 2024 vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission, in Brüssel. / © Bram Penninckx (KNA)
EU-Fahnen wehen am 6. November 2024 vor dem Berlaymont-Gebäude, dem Sitz der Europäischen Kommission, in Brüssel. / © Bram Penninckx ( KNA )

DOMRADIO.DE: An diesem Donnerstagmittag kam die Eilmeldung, dass die EU im Gegenzug auf die Gegenzölle für 90 Tage ebenfalls verzichtet. Es geht also weiter munter hin und her. Mit Blick auf die Gesamtentwicklung: Was könnte denn Ihrer Meinung nach nun ein guter Ausweg aus diesem Zollstreit sein? 

Schallenberg: Ein guter Ausweg ist immer: miteinander sprechen, die Probleme darlegen und dann einen Kompromiss finden. 

In diesem Falle sind wir jetzt noch in der Phase wie beim Tischtennis, wo es hin und her geht. Das gehört wahrscheinlich dazu, also wie weit kann man den anderen doch über die Tischplatte bewegen? Das soll man nicht unterschätzen, dass solche Dinge auch eine große Rolle spielen. Gerade weil man ja in Demokratien auch immer auf die Wählerin, den Wähler schaut und deutlich machen will, dass wir unser Land groß machen wollen. "Make America great again" ist ja nicht unethisch, man wird ja in einem Land für das Land gewählt. 

Great again / © Michael Leslie (shutterstock)

Wir wollen auch Deutschland groß machen, wir sprechen allerdings nach den Erfahrungen des Naziregimes davon sehr viel vorsichtiger als andere Länder. Also wir wollen am Ende die Bevölkerung eines Landes möglichst wohlhabend machen. Da braucht man nicht drum herum zu reden. 

Das Ethische daran ist wiederum, dass das erstens für ein Land legitim ist, aber zweitens besonders ethisch ist, wenn das Menschen anderer Länder auch zugute kommt. Das wird im Augenblick vermutlich eher noch ein paar Tage, so nehme ich an, hin- und hergehen, bis man sich zusammensetzt und dann schaut, woran es denn liegt, dass solch ein Handelsdefizit von 70 Milliarden zwischen Deutschland und den USA besteht, also dass sehr viel mehr aus Deutschland in die USA exportiert wird, also in die USA importiert wird als umgekehrt. 

Peter Schallenberg

"Pauschal einfach Zölle in einer beliebigen prozentualen Höhe einzuführen, ist wahrscheinlich mehr eine Berg-Gorilla-Kampfansage als eine jetzt sehr mittelfristig und langfristig vernünftige Strategie."

Das liegt übrigens auch daran, dass die Inlandsnachfrage in den USA durch ein hohes Wirtschaftswachstum sehr stark angestiegen ist, dass die Konsumenten Geld haben und dann eben im Ausland einkaufen. Dann könnte man noch mal darüber nachdenken, bei welchen Waren möglicherweise Zölle am Platz sind, weil die USA das Interesse haben, bestimmte heimische Produktionssektionen zu stärken, wie wir das auch haben und wo dann solche Zölle nicht in Frage kommen. 

Pauschal einfach Zölle in einer beliebigen prozentualen Höhe einzuführen, ist wahrscheinlich mehr eine Berg-Gorilla-Kampfansage als eine jetzt sehr mittelfristig und langfristig vernünftige Strategie. Aber das gehört vermutlich dazu, wie bei anderen Wettkämpfen auch, dass man am Anfang erst mal eine große Vorlage macht und dann sieht, wo man sich einigen kann. Ein Deal wäre dann wahrscheinlich, dass man nach viel Getöse einen Kompromiss findet. So würde ich es einschätzen. 

Das Interview führte Mathias Peter. 

Die katholische Kirche in den USA

Die römisch-katholische Kirche ist die größte Glaubensgemeinschaft der USA, denn die Protestanten teilen sich in verschiedene Konfessionen. Ein knappes Viertel der US-Amerikaner ist katholisch, die meisten Katholiken leben im Nordosten und im Südwesten. Genaue Zahlen sind schwierig, weil in den USA der Wechsel einer Konfession sehr häufig vorkommt.

Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 (shutterstock)
Die katholische Kirche in den USA / © rawf8 ( shutterstock )
Quelle:
DR

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